Südamerika will sich gemeinsam verteidigen: Verteidigungsrat gegründet

Zwölf südamerikanische Staaten wollen engere Militär- und Rüstungskooperation und gemeinsam gegen Drogenhandel vorgehen.

Der kolumbianische Verteidigungsminister Juan Manuel Santos will keine südamerikanische "Nato". Bild: reuters

PORTO ALEGRE taz Brasiliens Verteidigungsminister Nelson Jobim demonstrierte Härte: "Wenn die kolumbianische Farc-Guerilla in brasilianisches Territorium eindringt, wird sie mit Kugeln empfangen", erklärte er am Mittwoch in Brasília nach einem Treffen mit seinem Amtskollegen aus Kolumbien, Juan Manuel Santos. Zur besseren Grenzsicherung haben sich beide geeinigt, dem Nachbarland jeweils fünfzig Kilometer des eigenen Luftraums für Überflüge zuzugestehen.

Die beiden Minister waren kurz zuvor aus Santiago de Chile eingetroffen, wo der neue Südamerikanische Verteidigungsrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen war. Dort vereinbarten sie mit ihren Kollegen aus Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, Guyana, Paraguay, Peru, Surinam, Venezuela und Uruguay eine engere Zusammenarbeit zwischen ihren Armeen und Rüstungsindustrien und gelobten, künftig vereint gegen den Drogenhandel in der Region vorzugehen.

Die Länder streben auch eine gemeinsame Verteidigungsdoktrin an. Widerstand kommt lediglich aus Kolumbien. "Wir werden keine gemeinsamen Militäraktionen wie die Nato durchführen, aber sehr wohl einen Austausch zwischen Rüstungsindustrien, humanitäre Aktionen und Friedensoperationen", sagte Santos. Kolumbiens Luftwaffe gehört längst zu den besten Kunden von Brasiliens Flugzeugbauer Embraer. Bei der letzten Freilassung von Farc-Geiseln Anfang Februar half Brasilien mit Hubschraubern aus. Das pragmatische Verhältnis zu Brasília gab den Ausschlag, dass Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe beim Verteidigungsrat mitmacht.

Die Brasilianer wiederum wollen Kolumbien einbinden, um langfristig den Einfluss der USA in Südamerika zurückzudrängen. Explizit stimmen diesem Ziel die Linksregierungen Boliviens, Ecuadors und Venezuelas zu: "Erstmals versammeln wir uns ohne Bevormundung einer Großmacht", sagte Venezuelas Minister Ramón Carrizález.

In ihrer Erklärung sprachen sich die Minister für den "uneingeschränkten Respekt" der Souveränität und gegen Grenzverletzungen aus. Santos, der kürzlich erklärt hatte, Kolumbien habe das Recht, Rebellenlager auch in Nachbarländern anzugreifen, musste sich Kritik aus Ecuador und Venezuela anhören. Am 1. März hatte sich der Angriff auf ein Lager der Farc in Ecuador durch Kolumbiens Militär, nach dem Quito die diplomatischen Beziehungen zu Bogotá abbrach.

Auch der alte Streit um die Seegrenze zwischen Chile und Peru hält an. Die Gründung des Verteidigungsrats bedeute nicht, dass alle regionalen Spannungen überwunden seien, so Chiles Verteidigungsminister José Goñi. Obwohl gemeinsame Militäraktionen erst langfristig denkbar sind, bezeichnete er die Ratsgründung als "historischen Einschnitt". Die bisher einzige Phase der Kooperation südamerikanischer Armeen war die berüchtigte "Operation Condor" in den 1970ern. Damals verfolgten die Militärdiktaturen Argentiniens, Boliviens, Brasiliens, Chiles, Paraguays und Uruguays gemeinsame linke Regimegegner.

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