Debatte über das Waffengesetz: "Die einzige Prävention"

Der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer fordert ein generelles Verbot von privatem Waffenbesitz. Ist das realistisch?

Genügen die aktuellen Waffengesetze, um Taten wie in Winnenden zu verhindern? Einschusslöcher am Tatort. Bild: dpa

BERLIN taz Die radikalste Konsequenz aus dem Amoklauf von Winnenden will Hermann Scheer ziehen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete, in dessen Wahlkreis Waiblingen der Amoklauf am Mittwoch geschah, verlangt ein generelles Verbot von privatem Waffenbesitz. Dies sei "die einzige effektive Prävention gegen Amoktäter", sagte Scheer am Donnerstag gegenüber der taz. Es gebe mehr als zwei Millionen Waffenbesitzer in Deutschland. Offenkundig seien die Amokläufe in Winnenden und in Erfurt durch die leichte Verfügbarkeit der Waffen begünstigt worden. "Der Täter in Winnenden wäre sonst ja vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen", sagte Scheer.

Nach dem Amoklauf von Erfurt 2002 ist das Waffengesetz zweimal verschärft worden, zuletzt im vergangenen Jahr. Die wichtigsten Punkte:

Besitz und Gebrauch großkalibriger Sportwaffen sind in Deutschland nunmehr statt ab 18 erst ab 21 Jahren erlaubt. Um die für legale Waffenkäufe notwendige Waffenbesitzkarte zu erhalten, müssen Sportschützen körperlich und geistig geeignet sein sowie ein berechtigtes Bedürfnis für den Waffenbesitz nachweisen. Bei großkalibrigen Waffen benötigen Bewerber zwischen 21 und 25 Jahren zudem ein psychologisches Gutachten.

Die notwendige Sachkunde für den Umgang mit Waffen muss mit einer Prüfung nachgewiesen werden. Um ihr berechtigtes Bedürfnis für den Waffenbesitz zu belegen, benötigen Bewerber ein Befürwortungsschreiben ihres Schützenvereins.

Der Inhaber einer Waffenbesitzkarte darf seine Waffe zu Hause aufbewahren, zum Schießstand transportieren und dort benutzen. Zur Selbstverteidigung oder anderen Zwecken außerhalb des Vereinsgeländes darf die Waffe nicht verwendet werden. Hierfür ist ein Waffenschein notwendig, der üblicherweise für Berufsgruppen wie Polizisten, Personenschützer oder Förster ausgestellt wird.

Sportschützen mit einer Waffenbesitzkarte können auch mehrere Waffen kaufen, pro Halbjahr in der Regel allerdings höchstens zwei. Die persönliche Eignung und Bedürftigkeit zum Waffenbesitz werden mindestens alle drei Jahre neu geprüft. Die auch als Pumpgun bekannten Repetierflinten mit Pistolengriff, wie sie etwa der Amokläufer von Erfurt dabei hatte, sind seit dem Attentat für alle Sportschützen generell verboten.

2008 wurde das Gesetz noch einmal verschärft: Langwaffen müssen am Lauf, Kurzwaffen am Griffstück gekennzeichnet werden. Nachkommen müssen legal ererbte Waffen mit einem Blockiersystem ausstatten. Täuschend echt aussehende Waffenattrappen und Kampfmesser mit langen Klingendürfen dürfen nicht mehr öffentlich getragen werden. Verstöße gegen das neue Waffengesetz können mit Bußgeld bis 10.000 Euro geahndet werden. AP

Gewiss müsse es bei einem Waffenverbot Ausnahmen geben, etwa für Förster oder Jäger. Die Schützenvereine müssten dazu verpflichtet werden, "die Waffen in den Vereinen zu verwahren". Das Verbot treffe "99,9 Prozent Leute, die verantwortlich mit den Waffen umgehen", sagte der SPD-Politiker. Doch die Möglichkeit, so künftige Bluttaten zu verhindern, rechtfertige dies.

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, ist skeptisch. Es sei "zu früh, um Maßnahmen zu fordern", sagte er der taz. Für ein generelles Verbot fehle der Gesellschaft, angesichts von elf Millionen Waffen im privaten Besitz, die "nötige Reife". Politiker sollten "maximale Zurückhaltung üben" und keinesfalls "den Eindruck erwecken, dass es Patentrezepte gibt".

Auch der SPD-Innenpolitiker Sebastian Edathy warnte vor Aktionismus. Das deutsche Waffengesetz, so Edathy zur taz, "ist auf der Höhe der Zeit". In Winnenden habe der Vater gegen geltendes Recht verstoßen, weil er die Waffe nicht weggeschlossen habe. "Es gibt keine Gesetzeslücke", erklärte Edathy. "Ich kann überhaupt nicht erkennen, welche wie immer geartete Änderung im Waffenrecht an dem Geschehen etwas geändert hätte", sagte auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) in Berlin.

Nach dem Erfurter Amoklauf von 2002 und zuletzt 2008 ist das Waffengesetz verschärft worden (siehe Kasten). Seither sei es kaum mehr zu verstärken, sagte der Waffenexperte der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Wolfgang Dicke, gegenüber der taz. "Sie können einen Wasserhahn nicht weiter zudrehen, als er zu ist." Würden Waffen in Vereinen gelagert, komme dies einer Einladung an Diebe gleich. Gegenüber einem generellen Waffenverbot bleibt die GdP zurückhaltend. Man hält es angesichts der Popularität von Schützenvereinen und Sportschützenclubs für unwahrscheinlich.

Auch die Grünen reagierten gestern eher verhalten auf ein Waffenverbot. Parteichefin Claudia Roth ging zunächst auf pädagogische Vorbeugung ein, bevor sie forderte, "zu prüfen, wie die Kontrolle der bestehenden Waffengesetze verbessert werden kann und ob weitere Verschärfungen notwendig sind". Die grüne Innenpolitikerin Silke Stokar bemängelte jedoch, die Verschärfungen des Waffengesetzes seit 2002 würden wegen der Länderzuständigkeit nicht kontrolliert. Notwendig sei deshalb ein zentrales Waffenregister, "in dem auch die Kontrollen in Privatwohnungen gespeichert werden", sagte Stokar.

Nach einem zentralen Waffenregister, in dem die bislang auf hunderte Behörden verteilten Waffenanmeldungen zusammengeführt werden, rufen Grüne und Linkspartei schon länger. Die Innenminister der Länder haben inzwischen einen "Prüfbeschluss" dazu gefasst, streiten sich jedoch über die Kosten. Die EU hat sich auf eine Einführung bis 2014 geeinigt, was neben Stokar auch die Linksfraktion zu spät findet. Deren Fraktionsvize Bodo Ramelow forderte zudem: "Die Aufbewahrung von Waffen in Privathaushalten muss eingeschränkt und mit strikter Kontrollmöglichkeit verbunden werden." Auch verlangt die Linke fälschungssichere Dokumente und einen Waffenführerschein, der regelmäßig erneuert werden muss. "Wir brauchen die gesetzliche Pflicht zur Ausstattung jeder Waffe mit einem Abzugsschloss", so Ramelow.

Der Waffenrechtsexperte der FDP, Hartfrid Wolff, hat seinen Wahlkreis ebenfalls in Waiblingen. Von den Vorschlägen Scheers hält er nichts: "Herr Scheer hat leider überhaupt keine Ahnung. Seine Forderungen sind populistisch. Auch ein verschärftes Gesetz, das nicht beachtet wird, nutzt nichts." Von einem zentralen Waffenregister hält Wolff ebenso wenig: "Wie soll ein Register eine Tat wie diese verhindern?"

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