Zweiwährungssystem in Kuba: Keiner will mehr den "Chavito"

Nach Feierabend gehen viele Kubaner in die Wechselstube und tauschen ihren Lohn in den konvertiblen Peso, den "Chavito". Der Unmut über das Zweiwährungssystem wächst.

In Kuba gibt es köstliche Speisen - vieles aber nur mit konvertiblen Pesos. Bild: dpa

HAVANNA taz Es ist Samstagmorgen, und im Friseursalon in der Calle Infanta in Havanna herrscht mächtiger Andrang. Unscheinbar sieht der Salon mit dem hochtrabenden Namen "Arcoiris" aus. Kein Schild weist auf den Laden hin, in dem fünf Friseure an den alten Pullmann-Friseursesseln aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts stehen und zügig ihrer Arbeit nachgehen. Zeit ist Geld, lautet das Motto, denn Ramón und seine derzeit vier Kollegen arbeiten heute faktisch auf eigene Rechnung.

40 Prozent der Einnahmen müssen die fünf Barbiere an den Staat abführen, dem der heruntergekommene Salon gehört, der Rest wandert in die eigene Tasche. "Ein zeitgemäßes Modell, denn feste Preise für einen Schnitt gibt es doch ohnehin kaum mehr", sagt Ramón. Bezahlt werde nach Ermessen, und "ist der Kunde zufrieden, kommt er wieder", sagt er.

Ununterbrochen wird Ramón von neuen Kunden begrüßt. Mit seinem schmalen, von weißen Härchen durchzogenen Kinnbart, dem zurückgekämmten, leicht gegelten und graumelierten Haarschopf und dem dicken goldenen Medaillon auf der Brust könnte er auch als italienischer Gigolo aus den 70er-Jahren durchgehen. Doch Ramón ist einhundertprozentiger Kubaner und lebt nicht schlecht von seiner Kunst.

Dreißig Chavitos - so werden die konvertiblen Pesos (Cuc) auf Kuba spöttisch genannt - muss er pro Woche verdienen, um seine vierköpfige Familie durchzubringen. In der offiziellen Landeswährung sind das rund 750 Pesos, ein Gehalt, das ein renommierter Facharzt im Monat in etwa erhält. Ramón erwirtschaftet das in einer Woche - nur ein Beispiel dafür, wie stark das Währungssystem in Kuba auf den Hund gekommen ist.

Die doppelte Währung ist für viele auf Kuba der Kern allen Übels. So auch für Ramón und seine Kollegen, die zwar in Peso Nacional kassieren, aber genau wissen, dass sie nach der Schicht erst in die Wechselstube müssen, um anschließend im Devisensupermarkt gegen Chavitos Nudeln, Speiseöl und Co. einzukaufen. Das ist Alltag in Kuba, und dagegen regt sich immer öfter Widerstand.

Erst letzte Woche wurden in Havanna und Matanzas acht Aktivisten der Frauenorganisation Flamur verhaftet, weil sie sich geweigert hatten, in konvertibler Währung (Cuc) zu zahlen und stattdessen in der offiziellen Landeswährung, eben dem Peso nacional, zahlen wollten. In mehreren großen Städten war es zu Protesten gekommen, und das ist nicht nur ein Zeichen für einen gewissen Organisationsgrad der Aktivisten, sondern auch für steigenden Unmut in der Bevölkerung mit den ökonomischen Verhältnissen. Diese Verhältnisse kennt auch Comandante Raúl Castro sehr genau und dennoch hat er letztlich noch Wasser auf die Mühlen gekippt. In einer Rede sagte er kürzlich, dass man für eine Währungsreform mehr Zeit brauche.

Immerhin ein Indiz dafür, dass die Rückkehr zur einheitlichen Währung im kubanischen Establishment nach beinahe 16 Jahren der doppelten Währung durchaus eine Option ist.

Doch damit gibt sich der Bund lateinamerikanischer Landfrauen Flamur nicht zufrieden. Mit Unterschriftenlisten, zivilem Ungehorsam und Infoveranstaltungen machen sie gegen die "ökonomische Apartheid" mobil und machen von ihren Rechten Gebrauch. Das ist in Kuba immer öfter zu beobachten. So kursieren nicht nur in Havanna Unterschriftenlisten, die zum Ziel haben, den Artikel 21 der Verfassung zu modifizieren. Die Kampagne "Hunderttausend Unterschriften für das Eigentum" wird von mehreren Organisationen der Opposition getragen, die gegen die "Kollektivierung des Besitzes durch den kubanischen Staat" opponieren.

Für Manuel Cuesta Morúa vom sozialdemokratischen "Arco Progresista" ist die Kampagne eine juristische Initiative, um dem weiteren Verfall des Landes entgegenzuwirken. Besagter Verfassungsartikel 21 garantiere und erkenne eben nicht den Besitz des Privateigentums der Bürger an. Ein Grund, weshalb kaum in die Substanz der Wohnungen und Häuser in Kuba investiert wird. Nicht nur, weil es keinen offiziellen Markt für Baumaterial gibt, sondern auch weil der Staat sich hin und wieder sanierte Häuser und Wohnungen unter den Nagel gerissen hat.

Mehr Rechtssicherheit will die Opposition einklagen und bedient sich dabei der verbrieften Verfassungsrechte. Die schreiben vor, dass jeder Referendumsantrag im Parlament debattiert werden muss, wenn ihm mehr als zehntausend Unterschriften beiliegen. Zwar haben sich schon mehrere Organisationen der Opposition auf den entsprechenden Artikel 88 berufen, aber bisher ist es zu keiner parlamentarischen Debatte gekommen. Dieses Schicksal teilte auch die Initiative "Hunderttausend Unterschriften für das Eigentum".

Aber es ist offensichtlich, dass die Kubaner den Appell ihres Staatschefs Ernst nehmen und die Verhältnisse kritisieren - dazu hatte Raúl einige Monate nach Übernahme der Amtsgeschäfte aufgerufen. Nicht nur im Internet, wo die Botschaften von Yoani Sánchez, Kubas bekannter Bloggerin, von immer mehr Menschen gelesen werden, sondern auch im kubanischen Alltag.

"Die Leute sind des Wartens müde, sie wollen Veränderung", sagt Rául Paz, einer der derzeit einflussreichen Sänger Kubas. Nach knapp fünfzehn Jahren Exil ist Paz zurück in Havanna, um den Wandel mitzugestalten. Genau den fordern die Kubaner neuerdings und das ist eine ganz neue Herausforderung für Comandante Raúl. Davon weiß auch der Barbier Ramón aus der Straße Infanta, aber der hat seinen ganz persönlichen Deal mit der Planwirtschaft von einst gemacht.

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