Kurzarbeit ist Trend: Kein süßes Nichtstun

Die Wirtschaft setzt in der Krise auf das Instrument der Kurzarbeit. Das bedeutet für die betroffenen Arbeitnehmer Angst und Unsicherheit. Nach der Kürzung nämlich droht die Streichung.

Danach soll's wieder besser werden. Bild: dpa

Es gab eine Idee, ein Modell zur besseren Balance zwischen dem, was man Erwerbsarbeit nennt, und dem, was unter Privat läuft: die Arbeitszeitverkürzung. Hierbei sollte unser täglicher Tätigkeitsmix so verteilt werden, dass auch die Betreuung von Kindern und Angehörigen berücksichtigt wird. Und das bürgerschaftliche Engagement.

Statt dieser Arbeitszeitverkürzung aber ist nun seit Tagen von etwas anderem die Rede: der Kurzarbeit. Kurzarbeit bei VW, bei Automobilzulieferern, auch bei der Baumarktkette Praktiker. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit beantragten im Januar 2009 über 10.000 Betriebe für 290.600 Arbeitnehmer Kurzarbeit, deutlich mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Dies konfrontiert den Arbeitnehmer nicht nur mit finanziellen Einbußen, sondern stellt ihn auch vor psychologische Probleme.

"Die Grundlage von Kurzarbeit", sagte Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) am Sonntagabend in der "Tagesschau", "ist die Annahme, dass es am Ende der Zeit wieder besser weitergeht." Kurzarbeit bedeute, fügt er hinzu, deswegen keinen Makel. Vielleicht sollte er eher von einem Menetekel reden? Man möchte ja schon froh darüber sein, dass der Arbeitsminister überhaupt aus seiner Nische hervortritt und etwas sagt, doch was ist, wenn seine grundlegende Annahme nicht trägt? Wenn es eben nicht besser wird? Oder einfach nicht schnell genug? Es bleibt eine Unsicherheit, für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, aber auch für die Unternehmen. Und die Gewissheit, dass der Einzelne nichts daran ändern kann.

"Der schlimmste Zustand ist immer der, in dem man keine Kontrolle empfindet über seine Zukunft", sagt der Arbeitspsychologe Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. "Man weiß nicht, was passiert. Man weiß nur, dass die Firma in einer unsicheren Lage ist. Dadurch entsteht Stress, die Situation wird als bedrohlich für die eigene Existenz gesehen, denn man hat keine Sicherheit, dass die eigenen Kräfte ausreichen, um die Krise zu bewältigen." Das Ergebnis: Trotz mehr "Freizeit" aufgrund von Überstundenabbau oder Kurzarbeit, leidet der Arbeitnehmer zu Hause unter Stress. Eine Lösung sieht Hagemann darin, den Mitarbeitenden jetzt Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten. "Das wäre wichtig. Das nämlich würde ihnen ein Mittel gegen den Kontrollverlust an die Hand geben und zeigen, dass das Unternehmen auch die Zukunft mit ihnen plant."

André Holtrup vom Institut Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen sieht bei der Kurzarbeit das Problem, dass sie schnell und unvorhergesehen kam. "Die Menschen, die von ihr betroffen sind, müssen sich erst mal damit auseinander setzen," meint er. Er sieht aber auch positive Aspekte: "Die momentane Nutzung der Kurzarbeit zeigt, dass ein Modell der solidarischen Umverteilung funktionieren kann." Es sei gut, dass die Menschen, anders als in früheren Krisen, nicht massenhaft entlassen würden. Facharbeiter seien eben begehrt und sie lasse man nicht einfach gehen.

Doch was ist vom Thema Kurzarbeit zu halten, wenn die Bundesregierung mit 700.000 Anträgen auf das dazugehörige Geld rechnet? Schon geht das ifo-Institut in München davon aus, dass vielen, die nun in Kurzarbeit sind, auch irgendwann die Arbeitslosigkeit droht. Am Donnerstag werden tausende von Stahlarbeitern in Duisburg versuchen, dieser Unsicherheit Herr zu werden, und gegen Stellenkürzungen beim Thyssen-Krupp-Konzern protestieren. Was aber kommt, ob die Facharbeiter, die nun kurzarbeiten, nicht doch entlassen werden, darüber kann man zu diesem Zeitpunkt nur Mutmaßungen anstellen. "Die Chancen", sagt auch Holtrup und meint die größeren Gestaltungsmöglichkeiten bei der Balance von Erwerbs- und anderer Arbeit, "stehen unter der Hypothek der wirtschaftlichen Bedrohung."

Ein Gutes aber könnte der Schock haben: Die Arbeitslosigkeit bedroht einen zwar, aber nicht mehr nur die eigene Identität. Die Erfahrung, dass es schnell gehen kann mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Sicherheit, könnte - im günstigsten Fall - zu einer breiteren Solidarität untereinander und zu Bereitschaft zur Umverteilung führen. Im anderen Fall aber versuchen die Menschen noch verzweifelter, ihre Existenz zu sichern. Ein Einsatz, der schlaucht.

Kurzarbeit mag Arbeitsplätze retten und ein paar Stunden der Ruhe bescheren. Wer aber Angst um beides hat, der wird die neu gewonnene Freizeit kaum damit verbringen, dass er müßig Marmelade einkocht oder endlich im Keller die Regale zimmert. Das würde zumindest für Freude im Baumarkt sorgen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.