"Muttersprache Deutsch": Diskriminierung bei der Jobsuche

Ein Berliner Kunstbetrieb lehnte eine Bewerberin ab, weil sie keine deutsche Muttersprachlerin ist. Die Frau fühlte sich diskriminiert, klagte - und das Berliner Arbeitsgericht gab ihr Recht.

"Deutsch als Muttersprache" darf in einer Stellenausschreibung nicht als Einstellungsvoraussetzung genannt werden. Bild: dpa

BERLIN taz Alanna Lockward war fassungslos. Fünf Jahre lang hatte sie es versucht. Doch dieses Mal, so hatte die 48-jährige Medienwissenschaftlerin und Kuratorin gehofft, würde es schon klappen mit dem Job im Kunstbetrieb. Sie bewarb sich als Mitarbeiterin des Infopoints bei den Berliner KunstWerken, die in den vergangenen Jahren unter anderem mit einer RAF-Ausstellung für Furore gesorgt hatten. Als die Absage per Mail kam, ließ Lockward nicht locker. Sie fragte nach, was die Begründung für die Absage sei. "Leider richtet sich die Position des Infopoint an deutsche Muttersprachler, daher können wir Ihre Bewerbung leider nicht berücksichtigen", hieß es in der Mail, die Lockward daraufhin von einer Mitarbeiterin der KunstWerke bekam.

Lockward stammt aus der Dominikanischen Republik, als Kind hat sie zunächst Spanisch gelernt. Heute spricht sie vier Sprachen - darunter Deutsch. Sie hat an der Universität der Künste in Berlin hat sie ein Aufbaustudium absolviert. Die Begründung der KunstWerke wollte Lockward nicht akzeptieren. "Das war für mich der Beweis, dass es für Nicht-Weiße fast unmöglich ist, eine Stelle im Berliner Kunstbetrieb zu bekommen," sagt sie. "Dagegen wollte ich angehen."

Mit Hilfe des Antidiskriminierungsnetzwerks Berlin versuchte Lockward zu intervenieren, doch das half nicht. Schließlich klagte sie vor dem Arbeitsgericht auf Schadensersatz - und das gab ihr jetzt Recht.

Der Richter sprach Lockward drei Monatsgehälter zu. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), so urteilte das Gericht, sei die Anforderung "Muttersprache Deutsch" eine indirekte ethnische Diskriminierung. Denn Deutsch als Muttersprache können nur Menschen nachweisen, die in ihrer frühen Kindheit Deutsch als Erstsprache erlernt haben. Nachträglich kann diese Qualifikation nicht erworben werden.

"Wir sind sehr erfreut über das Urteil", sagt Nuran Yigit, die Projektleiterin des Antidiskriminierungsnetzwerks. Noch immer würden viel zu wenige Betroffene das AGG kennen und damit ihre Rechte einklagen. Diese Lücke gelte es zu füllen. Nach Yigits Kenntnissen ist die Entscheidung des Berliner Amtsgerichts bundesweit die zweite dieser Art. Auch das Landesarbeitsgericht in Hamm habe dem Kläger in einem Fall, wo ebenfalls ein deutscher Muttersprachler für eine Stelle gesucht worden sei, Recht gegeben. "Deutsch als Muttersprache kann man nicht verlangen", sagt Yigit. "Das sagt nichts über die Deutschkenntnisse des Bewerbers aus und ist eindeutig eine Benachteiligung."

Die KunstWerke wollen diesen Vorwurf nach wie vor nicht gelten lassen. Es sei während des Bewerbungsverfahrens zu einer "Ungenauigkeit" gekommen, so Gabriele Horn, die Direktorin der KunstWerke. Sie bleibt dabei: "Der Auswahlprozess für die ausgeschriebene Stelle erfolgte unter rein sachlichen Erwägungen." Das Gericht sah darin eine Diskriminierung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.