Berlins scheidender Finanzsenator Sarrazin: Der Unbeirrbare

Thilo Sarrazin wechselt zur Bundesbank. Trotz Anfeindungen knappste er den Berliner Haushalt halbwegs gesund - und fiel zuletzt wegen harter Worte gegen Hartz-IV-Empfänger auf.

Ruhestand? Der 64-jährige Sarrazin hasst schon das Wort "Hobby". Bild: ap

Mit 64 Jahren kann man sich als Politiker für rentenreif erklären wie jüngst CSU-Mann Michael Glos, kann ein Buch schreiben, auf Pilgerreise gehen. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) geht mit 64 lieber in den Vorstand der Bundesbank. Am Dienstag bestätigte er erstmals selbst sein Ausscheiden aus dem rot-roten Senat und kündigte an, wenige Stunden vor der offiziellen Bekanntgabe durch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Als Vorstandsmitglied kündigte er an, zur Bundesbank nach Frankfurt wechseln zu wollen.

Dafür werden ihn am Dienstag aller Voraussicht nach die Länder Berlin und Brandenburg nominieren, die das Vorschlagsrecht haben. Die offizielle Wahl im Bundesrat im März gilt danach als Formalie.

Kein Rädchen mehr zu drehen, höchstens mal einen Vortrag halten - das hätte auch nicht zu dem Mann gepasst, der schon allein den Begriff "Hobby" hasst. Sarrazin hat immer etwas bewegen wollen, und wenn das nicht mehr ging, machte er eben etwas anderes.

Das galt schon seit seinen Anfangsjahren als promovierter Volkswirt im Finanzministerium und hat wenig mit dem Parteibuch zu tun. CSU-Finanzminister Theo Waigel schätzte Sarrazin so sehr, dass er ihm die Federführung für die Währungsunion übertrug. 1991 wurde Sarrazin Staatssekretär in Rheinland-Pfalz, 1997 Chef der Treuhand. Dort ging er genau wie im Vorstand der Deutschen Bahn nach wenigen Jahren im Streit.

Weithin frei schalten konnte er erst, als er 2002 in der ersten rot-roten Koalition in Berlin Finanzsenator wurde. Sarrazin setzte in dem zwischenzeitlich mit über 60 Milliarden Euro verschuldeten Bundesland drastische Kürzungen im öffentlichen Dienst durch, knappste bei Kultur und Sozialeinrichtungen, wofür er heftig angefeindet wurde. Zunehmend setzte sich aber die Erkenntnis durch, dass endlich mal einer aufräumte, unbeirrt von Einzel- und Parteininteressen - Sarrazin hat weder ein SPD-Amt noch ein Mandat.

Zum Aufräumen gehörte auch, auf sehr umstrittene Weise Klartext zu reden, egal, ob er seine Beamten kritisierte, Speisepläne für Hartz-IV-Empfänger entwarf oder SPD-Pläne für einen Mindestlohn mit der Aussage sabotierte, er würde auch für 5 Euro arbeiten gehen.

Im Frühjahr 2007 hatte er sein Ziel erreicht, einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen - und seither kursieren Wechselgerüchte. Was Sarrazin konkret ab Mai bei der Bundesbank machen könnte, ist offen. Sarrazin wird aber kaum nach Frankfurt wechseln, um einen eher drögen Bereich wie die Verwaltung der Währungsreserven zu übernehmen. Interessant für ihn wäre angesichts der jüngsten Verwerfungen die Bankenaufsicht.

Bei der Bundesbank wird er mit rund 221.000 Euro jährlich deutlich mehr verdienen als in Berlin mit 130.000. Doch nicht mal seine größten Kritiker unterstellen ihm, deshalb zu wechseln - Geld interessiert ihn privat eher mäßig, solange es für einen guten Anzug und genug Bücher reicht. STEFAN ALBERTI

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