Kommentar Türkischer Staatschef in Davos: Erdogan fällt aus der Rolle

Der Ausraster von Türkeis Präsident Erdogan macht die Kluft zwischen Israel und der Türkei sichtbar, die schon lange überspielt wurde. Und appelliert an antijüdische Ressentiments.

Wenn es noch eines Bildes bedurft hätte, um zu zeigen, wie sehr sich Israel mit seinem sinnlosen Angriff auf den Gazastreifen isoliert hat, dann wäre es der Anblick des irritierten Schimon Peres, der in Davos auf den leeren Platz neben sich starrte. Israels Präsident hatte das Vorgehen seines Landes erst in ausführlichen Worten verteidigt, woraufhin sich der türkische Premier Erdogan in Rage redete und vom Podium stürmte. Damit wurde eine Kluft offenbar, die schon lange nur mit Mühe überspielt worden war.

Traditionell sind Israel und die Türkei zwar Verbündete, die sich beide dem Westen zugehörig und den USA verpflichtet fühlen. Doch es knirscht schon länger im Gebälk der gemeinsamen Beziehungen. Dass Erdogan, der sich als Vermittler zwischen Israel und der Hamas angedient hatte, vom Angriff auf Gaza erst aus den Nachrichten erfuhr, mag einen Teil des Ärgers erklären, dem er in Davos Luft machte. Doch sein öffentlicher Wutausbruch, mit dem er auch an antijüdische Ressentiments appellierte, folgte einem Kalkül. Im März stehen in der Türkei Kommunalwahlen an, ein Stimmungstest für Erdogans Partei. Da es dort in den letzten Tagen kein Thema gab, das die Gemüter derart bewegte wie der Krieg in Gaza, hofft Erdogan offenbar, so beim Wahlvolk zu punkten.

Erdogan mag überzeugt sein von dem, was er in Davos gesagt hat. Aber er ist kein einfacher Familienvater, der, von schrecklichen Fernsehbildern aus Gaza bewegt, einfach mal seinen Gefühlen freien Lauf lässt, sondern der Ministerpräsident eines Landes, das seinen Platz in der Region sucht.

Innenpolitisch wird es Erdogan nützen, dass er in Davos aus der Rolle gefallen ist, wie der triumphale Empfang durch seine Fans in Istanbul gezeigt hat. Außenpolitisch aber wird sein Auftritt in Davos der Türkei schaden. In der arabischen Welt dürfte es zwar Eindruck machen, dass der türkische Premier wagt, was sich kein arabischer Herrscher traut. Doch dass er Israels Präsidenten öffentlich brüskieren musste - mit diesem Verhalten hat Erdogan auch vielen westlichen Hauptstädten den Rücken gekehrt. Den türkischen Traum, als Vermittler im Nahostkonflikt zur Ordnungsmacht aufzusteigen, kann er damit begraben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.