Folgen der Pleite: Kein Geld für Schöner Wohnen

Die Involvenz von Level One ist eine der größten Immobilienpleiten in der deutschen Geschichte. Für die Mieter wie in der Hellen Promenade bleibt nun alles beim alten - und das ist schlecht so.

Pleiten beschäftigen die Berliner schon seit längerem Bild: AP

taz: Herr Martini, die Auskunftsdatei Creditreform prognostiziert für Berlin in diesem Jahr 1.700 Insolvenzen. Wagen Sie eine ähnliche Prognose?

Torsten Martini: Es wird eine signifikante Zunahme geben, aber das zu beziffern geht nicht. Ich glaube allerdings, wir haben das Schlimmste bei weitem noch nicht hinter uns.

Spüren Sie als Insolvenzberater bereits die Krise?

In Berlin gibt es derzeit nur eine einzige Auswirkung, die ich sehe. Es ist schwieriger geworden, Immobilien neu zu finanzieren. Investoren, die mir im letzten Jahr noch Interesse zum Beispiel an Immobilien aus dem sozialen Wohnungsbaufonds bekundet haben, springen wieder ab, weil die finanzierende Bank nicht mehr mitmacht.

Viele Pleiten liegen also gar nicht an der Krise?

Als Geschäftsführung ist es sicherlich leichter, dem Insolvenzverwalter zu sagen, es liegt an der Finanzmarktkrise als zu sagen, ich habe den Markt falsch eingschätzt, und ich habe Managementfehler gemacht.

Was für Fehler sind das?

In der Bauwirtschaft sind fehlkalkulierte Aufträge ganz beliebt. Da wird ein Auftrag einfach nur angenommen, um die Leute zu beschäftigen, obwohl man weiß, der Auftrag ist unterkalkuliert und man macht damit Verlust. Irgendwann wird sich das rächen. Den Fehler, den alle Betriebe immer wieder machen: statt dass man einfach den Insolvenzantrag stellt, wird ewig lang herumgewurschtelt,

Aus Angst vor Ihnen?

Es ist wahnsinnig häufig so, dass die Leute zu uns in die Insolvenz kommen, wenn schon alles zu spät ist, weil die Insolvenz für sie ein rotes Tuch ist. Da ist auch viel Unwissenheit dabei. Ich erlebe das jeden Tag: wenn die Leute einmal bei uns sind und mit uns sprechen, merken sie, dass wir konstruktiv an einer Lösung zur Sanierung arbeiten und nicht einfach nur absperren und die Leute nach Hause schicken.

Ist es für Sie als Insolvenzverwalter schwieriger geworden, bei den Banken Geld für die Sanierung lockerzumachen?

Es gibt weniger Leute die bereit sind, Risikokapital in eine heruntergewirtschaftete Firma zu stecken, weil sie davon ausgehen, dass die Umsätze irgendwann anziehen werden. Sie kriegen aber in der Insolvenz wie auch ein Unternehmer mit einem vernünftigen Produkt genauso einen Kredit wie vorher. INTERVIEW: GRIT WEIRAUCH

Bisher haben die Hellersdorfer mit ihrer Wohnungsmiete den internationalen Finanzmarkt gefüttert - nun fließt ihr Geld in die Hände von Rolf Rattunde. Der Insolvenzverwalter bei Leonhardt-Westhelle betreut seit kurzem eine der größten Immobilienpleiten in der deutschen Geschichte: den Fall Level One mit rund 20.000 Wohnungen, meist Plattenbauten in Ostdeutschland, und 500 Gewerbeeinheiten. In Berlin besaß die Gesellschaft rund 7.300 Wohnungen, vor allem in Lichtenberg, Marzahn - und eben in Hellersdorf an der Hellen Promenade.

In den vergangenen Wochen hat das Amtsgericht Charlottenburg bereits 38 Insolvenzverfahren eröffnet, weitere werden laut Rattunde in den kommenden Wochen folgen. Mitte März sollen die ersten Gläubigerversammlungen stattfinden.

Der Immobilienkonzern mit rund 200 Gesellschaften hatte seit seiner Gründung vor drei Jahren Schulden in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro angehäuft. Ins Schleudern gekommen war Level One durch das Platzen der Immobilienblase im vergangenen Frühjahr. Das Firmenkonglomerat gehört dem Unternehmer Cevdet Caner und hat sein Zentrum in London und auf der Insel Jersey. Caners Geschäftsmodell sah vor, fremdfinanziert en masse günstige Wohnungen zu kaufen und diese auf dem Kapitalmarkt zu handeln. Banken wie J.P.Morgan oder die Royal Bank of Scotland hatten durch Millionenkredite das Geschäft gestützt.

Als "kalte Zwangsverwaltung" bezeichnet Rattunde, was er für die Mieter in Hellersdorf und andernorts heute noch tun kann, nämlich nur das Nötigste: "In Absprache mit den Banken habe ich die Versorgung der Mietobjekte sichergestellt." Im Winter werde geheizt, der Fahrstuhl repariert, eine offene Baustelle abgesichert. Mietverträge würden nicht gekündigt. "Für die Mieter ändert sich nichts", so Rattunde.

Ändern wird sich aber auch nichts an der Hellen Promenade. Auf eine seit Jahren nötige Sanierungen müssen die Mieter weiter warten. Dabei hatte der Investor, von Politikern 2006 hochgelobt, versprochen, das Viertel aufzuwerten: Wärmedämmung nach neuesten Umweltstandards, attraktive Gewerbeeinheiten waren geplant. Französische Künstler sollten die Fassaden der sechs Häuserblocks mit europäischen Motiven schmücken. Kostenpunkt für das geplante "Europaviertel": 27 Millionen Euro. Dafür ist nun kein Geld in Sicht.

Die Perspektive für das Viertel sei angesichts dieser Situation überaus unklar, sagt Elke Herden vom Quartiersmanagement Helle Promenade. Seit fünf Jahren herrsche Stagnation, während ringsum Wohnungen saniert und für Mieter attraktiver gemacht würden. In leerstehende Gewerbe seien inzwischen soziale Einrichtungen gezogen. "Wir hoffen dringend auf einen Investor", sagt Herden.

Auf Investoren für die Plattenbauten setzt auch Invsolvenzverwalter Rattunde. Eine Vielzahl von möglichen Käufern habe sich bei ihm bereits gemeldet, sowohl Privatleute als auch größere Unternehmen. Doch bisher habe es "keine konkreten und attraktiven Angebote gegeben." Denn fest steht für Rattunde: Unter Preis werden die Plattenbauten nicht verkauft.

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