Voodoo-Abenteuer in Benin: Mit den Geistern sprechen

400 Kilometer für 2 Euro: Wer nicht ständig kräftig um die Preise feilscht, verdient keinen Respekt. Eine Reise in den Norden von Benin.

Benzin in alten Schnapsflaschen: Tankstelle in Benin Bild: Martin H./cc-by-sa2.0

Eben ist Dominique von seinem Besuch bei einem Voodoo-Wahrsager zurückgekehrt. Irgendetwas stimmt nicht. Sein gebräuntes Gesicht ist bleich, er lächelt starr. Vor ein paar Stunden ist er losgezogen, mit unserem freundlichen Chauffeur Thierry. In dessen zerbeulten Peugeot sind sie weggefahren, schaukelnd, über die wellige Strandpiste, am Meer entlang. Zum Maître du Fa. Das sind die Voodoo-Wahrsager, die mit den Geistern sprechen können.

Seit drei Tagen akklimatisieren wir uns in einem Hotel am Meer in der Nähe von Cotonou, der größten Stadt Benins. Wir wohnen unter Kokospalmen, an einem endlosen gelben Strand, der sauber ist und ohne die überall in West-Afrika herumwehenden schwarzen Plastiktüten. Jeden Morgen zieht langsam eine Herde Zebukühe am Hotel vorbei, gefolgt von ihrem mageren Hirten. Schöne, grauweiße Kühe, mit Hörnern wie eine Lyra. Wie beim Tauziehen stehen die Fischer in einer Reihe und ziehen mit aller Kraft ihre Netze wieder an Land.

„Was hat denn der Wahrsager gesagt?“, will ich wissen. Dominique war losgezogen, um herauszufinden, ob seine Vorfahren ihm friedlich gesonnen seien. Seine Ururgroßeltern sind wahrscheinlich genau von dieser Küste, die einst Sklavenküste hieß, aus ihren Dörfern in die Karibik verschleppt worden. Der Wahrsager warf Kaurimuscheln, dann kleine Knöchelchen, dann Steinchen, dann wieder Muscheln. Immer wieder. Kopfschüttelnd hat er die Botschaft der Geister betrachtet. „Alles in Ordnung mit deinen Vorfahren“, hat er meinen Reisefreund beruhigt. „Aber da ist ein anderes Problem: Dein Tod steht unmittelbar bevor. Du wirst durch einen Unfall sterben.“ Na prima, denke ich. Morgen wollten wir eigentlich losreisen, um Benin zu erkunden. Die Möglichkeit eines Unfalls ist nach den ersten Stunden im chaotischen Verkehr von Cotonou auch ohne Wahrsagerei ziemlich überzeugend.

Cotonou, ein gigantischer Moloch von Millionenstadt, erstickt tagtäglich , stundenlang kann man an einer Kreuzung eingekeilt sein zwischen uralten klapprigen Autos und LKW, umwabert von Abgasschwaden, die durch das Panschen des geschmuggelten Benzins aus Nigeria noch giftiger als normal sind. Vierzig Euro verlangt der Voodoo-Meister, wenn der böse Unfallzauber abgewendet werden soll. Wir zahlen schnell und ohne weitere Fragen zu stellen. Außerdem braucht er noch ein getragenes Kleiderstück und man versichert uns, dass damit der Fluch abgewendet wird. Wir fahren los. Auf dem Rücksitz von Thierrys Auto entspannen wir uns langsam, es geht nach Norden, Richtung Abomey, der alten Hauptstadt des einst gefürchteten Königreichs Dahomey.

Blutrünstig und machtgierig, fielen die Könige von Dahomey immer wieder über benachbarte Stämme her, erweiterten das Reich und verkauften diejenigen Kriegsgefangenen, denen sie nicht die Köpfe abschlugen, an die Weißen als Sklaven. Hunderttausende waren es. Nur ein Stamm schaffte es, den regelmäßigen Überfällen zu entkommen. Sie zogen sich weit in ein Sumpfgebiet zurück und schufen dort eine große Stadt, Ganvié, eine Art afrikanisches Venedig. Die Paläste allerdings sind strohgedeckte Holzhütten auf Stelzen. Wir gleiten auf einer stillen Piroge auf diese traumhaft schöne Stadt zu, die den Bewohnern ihre Freiheit garantierte. Vorbei an zartlila Wasserhyazinthen kreuzen lange schmale Boote, in denen Frauen ihren Marktstand ausgebreitet haben.

Atakora, Dorf nördlich von Natitingou Bild: Martin Wegmann/cc-by-sa3.0

In Abomey besuchen wir die Königspaläste aus rotem Lehm, hören blutrünstige Geschichten über die unterschiedlichen Könige, die alle mit den Weißen gemeinsame Sache machten. Einer von ihnen schuf ein gefürchtetes Amazonenheer, mit Kriegerinnen, die schrecklicher wüteten als alle Männer zuvor. Abends essen wir an einer Straßenkreuzung, in einer kleinen Buvette, wo eine Frau Hühnchen mit Reis und Tomatensoße verkauft. Lecker. Später kommt eine Truppe verschwitzter Belgier, die mit aufgemotzten 2CV‘s eine Art Rallye Paris Dakar fährt. Sie knattern in einer großen Staubwolke durch die Stadt und sorgen für Aufsehen.

Selbstverständlich benutzt keiner von ihnen eins der kleinen Mofa-Taxis, die einen für 50 Cent so weit fahren, wie man will. Allerdings muss man vorher gut verhandeln. Preise aushandeln ist allgegenwärtig in Afrika. Nicht als Ausdruck von Geiz, sondern um sich Respekt zu verschaffen. Wer einen Preis mit Witz und Gelächter heruntergehandelt hat, wird höflich behandelt. Schlimm sind die Momente, in denen keiner von uns Lust hat, schon wieder zu verhandeln. Akzeptiert man dann den Fantasiepreis eines Taxifahrers oder einer Händlerin, und sei er noch so gering, kann man drauf wetten, dass man hinterher verächtlich behandelt wird und es Ärger gibt. Immerhin, als wir den Chauffeur verabschieden und auf einen Überlandbus umsteigen, um noch weiter nach Norden zu fahren, nennt er uns die Standardpreise.

Für umgerechnet zwei Euro fahren wir 400 Kilometer weiter hoch in den Norden. Die Landschaft wird trockener, wir verlassen den üppigen Süden und kommen in den kühleren Norden, in eine Art toskanische Hügellandschaft. Wunderschön. Bloß nicht an Wein denken. Hier trinken die Menschen dünnes einheimisches Bier. Im Norden entdecken wir typische kleine Familientrutzburgen aus rotem Lehm, eine faszinierend einfache und effiziente Architektur: klein, rund, die Tier leben unten, die Familie schläft oben. Die abgeschlossenen runden Bauten waren einst auch ein guter Schutz gegen Sklavenjäger.

Cotono, gutes Hotel um Ankommen: Jardin Helvetia, geführt von einem Basler und seiner einheimischen Frau Moroniké.

Ganvié, ca 50 Kilometer nördlich von Cotonou, afrikanisches Venedig, unbedingt eine Piroge ohne Motor nehmen, sonst donnert man ruckzuck hin und zurück und sieht nichts.

Djougou, Centre International du Tissage: von Frauen geführte Weberei, die nach eigenen Entwürfen arbeiten und aussergewöhnlich schöne und preiswerte Stoffe von Hand weben.

Abomey, Chez Martine: Schönes Hotel mit grossem Garten, billig und sauber.

Natitingou, Hotel Mimosa: Ruhig und abgelegen, etwas ausserhalb und deshalb eine Oase. La Breche du Nati: Restaurant in einer original Lehmburg, die hier Tatas heißen. Manchmal gibt es Wildspezialitäten, wie gebratene Rehsteaks.

Zauber, um das Herz eines geliebten Mannes zu gewinnen: 9 Aasgeierfedern und 9 Fasanenfedern zerkleinern, ein bisschen vom eigenen Blut beimischen, umrühren und dabei singen: Fasan und Fasanin trennen sich niemals. Möge das Gleiche für ihn und mich gelten.

In der Nähe von Natitingou baden wir nach einem Ausflug in einem Wasserfall, der paradiesisch aussieht und so kühl ist, dass ich zum ersten Mal seit Wochen frösteln kann. Herrlich. Abends rattern wir - natürlich mit Mofataxis - über Stock und Stein zurück. Vor mir sehe ich die handgemalten Kennzeichen der „Zem“, wie die kleinen Vespas genannt werden. „Die Liebe heilt alles“ oder „Wer weiß was morgen ist“, steht da. In einer Straßenkneipe lerne ich den Turnlehrer der örtlichen Mädchenschule kennen. Er war einmal ein Top-Athlet, erzählt er. Aber das Geld habe nicht gereicht für eine professionelle Sportkarriere. Später lädt er mich ein und will mir seinen Familien-Fetisch zeigen. Überhaupt entpuppt sich jeder zweite Beniner nach kurzem Gespräch als eine Art Teilzeitzauberer. Man ist zwar Christ oder Muslim, aber der Voodoo Altar wird trotzdem gepflegt.

Die Tierparks im Norden schenken wir uns, es ist noch zu früh. Obwohl November die beste Reisezeit für Benin ist, beginnt die Safarisaison erst im Dezember. Dafür besuchen wir noch den stärksten Fetisch in ganz Westafrika. An diesem Ort, ein schwarzer abgestorbener Baumstamm wenige Meter von einer Straße entfernt, ist die Anwesenheit der Geister und Götter so stark, dass man direkt mit ihnen kommunizieren kann. Dazu benutzt man einen spitzen Holzpflock, den man in die Erde rammt und dabei einen Wunsch an die Götter richtet. Dieser Wunsch geht garantiert in Erfüllung. Nach einem Jahr muss man allerdings die Götter mit einem Tier-Opfer belohnen, sonst kann die Sache böse ausgehen. Dominique schaut mich an. Er will keinen Wunsch mehr äußern, den Geistern keine Fragen mehr stellen. Immerhin hat sein Zauber gewirkt. Wir sind Tausende von Kilometern gefahren - ohne Unfall, wie es der Voodoo-Wahrsager versprochen hat.

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