Prozess gegen Rechtsextreme: "Sehen, wie ein Mensch stirbt"

In Neuruppin beginnt der Prozess gegen zwei Neonazis, die einen arbeitslosen Tischler erschlagen haben. Ihre Tat hat in Templin dazu geführt, das Nazi-Problem der Stadt anzuerkennen.

Trügerische Idylle: Tür zur Schreinerwerkstatt, in der Bernd K. totgetreten wurde. Bild: dpa

NEURUPPIN taz Beschaulich geht es gewöhnlich zu in der Heimatstadt der Kanzlerin. In Templin, der "Perle der Uckermark", ist Angela Merkel aufgewachsen, noch heute hat sie hier ein Haus. Wann immer die Kanzlerin Zeit hat, fährt sie in die 18.000-Einwohner-Stadt.

Dass Templin trotz durchsanierter Innenstadt und herrlicher Seen ein Problem mit Rechtsextremen hat, wurde im letzten Sommer öffentlich. Im Juli 2008 erschlugen zwei Neonazis dort einen arbeitslosen Tischler. Am Montag, nur sechs Monate nach dem Tod von Bernd K., hat vor dem Landgericht Neuruppin das Verfahren begonnen. Den beiden Angeklagten, dem 21 Jahre alten Christian W. und dem 18 Jahre alten Sven P., wirft die Staatsanwaltschaft gemeinschaftlich begangenen Mord vor. Zugleich geht die Anklagebehörde von einer rechtsextremistischen Motivlage aus. Denn nur wenige Stunden vor der Tat soll einer der Angeklagten mitten auf dem Templiner Marktplatz "Sieg heil!" gebrüllt haben, außerdem soll der 18-jährige Sven P. zur Tatzeit ein Rudolf-Heß-Shirt getragen haben. Beide Angeklagten standen zur Tatzeit wegen vorangegangener Gewaltdelikte unter Bewährungsauflagen.

Dass nur ein halbes Jahr zwischen der Tat und dem Beginn des Verfahrens liegt, zeigt, dass der Justiz viel daran liegt, die Tat zeitnah aufzuklären und zu ahnden. Die Beschuldigten sollen ihr Opfer in einem Schuppen schwer misshandelt haben, sie waren der Ansicht, dass der alkoholkranke Bernd K. "minderwertiges Leben" darstelle. Der 55-Jährige starb letztlich durch heftige Tritte gegen den Kopf.

In der Touristenstadt, achtzig Kilometer nördlich von Berlin gelegen, löste die brutale Tat eine überfällige Debatte über Rechtsextremismus aus. Nachdem gleich nach der Tat Templins Bürgermeister Ulrich Schoeneich (parteilos) das Verbrechen als Werk von "Durchgeknallten" bezeichnet und gesagt hatte, er wisse nichts von Rechten in seiner Stadt, vollzog er nach heftigen Protesten die Wende. Politik und Kirche hatten gefordert, das Naziproblem endlich anzuerkennen und gemeinsam dagegen anzugehen.

Die Alltagserfahrungen der Kleinstädter aber sind noch immer von Gewalt geprägt. Seit Anfang 2007 beobachtet die Polizei vor Orteinen Anstieg politisch motivierter Straftaten. Von Januar bis Oktober 2008 zählte sie in der Uckermark 135 derartige Straftaten, allein 42 davon in Templin.

Zum Prozessauftakt im Landgericht Neuruppin sagte Staatsanwalt Kai Clement, der Angeklagte Sven P. habe "beschlossen zu töten, um zu sehen, wie ein Mensch stirbt". Der Prozess wird Montag fortgesetzt.

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