Tagesspiegel feiert sich selbst: Gepflegter Zweckoptimismus

Nach der Übernahme der "Berliner Zeitung" rechnen Experten damit, dass der neue Besitzer ins Marketing investiert und den Konkurrenzkampf anfeuert. Derweil feiert sich der "Tagesspiegel" selbst.

Dem Tagesspiegel ist nicht bange: Am Donnerstag trat das Blatt robust dem in der taz erweckten Eindruck entgegen, man fürchte nach der Übernahme der Berliner Zeitung durch den Kölner DuMont-Konzern eine wieder erstarkende Konkurrenz in der Hauptstadt. "Wir haben DuMont freundlich empfangen", sagte Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. Dabei sei es aber "doch nicht verboten, darauf hinzuweisen, dass der Tagesspiegel die einzige Zeitung in Berlin ist, die sich in den letzten Jahren gegen den Trend stemmen konnte" - nämlich dem Trend, Auflage zu verlieren.

Der Tagesspiegel hatte unter der Überschrift "Fester Stand" sich selbst auf ihrer Medienseite als "meinungsführende Tageszeitung Berlins" gefeiert (taz vom Donnerstag) und deutlich auf die Auflagenverluste von Berliner Morgenpost (Springer) und Berliner Zeitung hingewiesen. Allerdings war in der Redaktion zu hören, der namentlich nicht gekennzeichnete Beitrag sei "von oben" gewünscht gewesen.

Nach den aktuellsten Zahlen für das vierte Quartal 2008 liegt die Auflage der Berliner Zeitung bei 172.874 Exemplaren. Der Tagesspiegel kommt auf 138.887 verkaufte Zeitungen pro Tag, die Berliner Morgenpost auf 148.035. Bei allen Blättern sind die Auflagen massiv durch verbilligt abgegebene Zeitungen wie zum Beispiel Bord- oder Hotelexemplare gestützt. Sie machen bei Tagesspiegel und Berliner Zeitung jeweils knapp 20 und bei der Morgenpost sogar knapp 30 Prozent der Gesamtauflage aus. So kann sich der Tagesspiegel zwar rühmen, in der Gesamtrechnung im Vergleich zum vierten Quartal 2007 ganze 134 Zeitungen mehr an die BerlinerInnen zu bringen, es gibt auch eine Steigerung beim Abo - dafür ist der Einzelverkauf am Kiosk heftig um 2.800 Exemplare gesackt, die anderen beiden Titel verloren dagegen besonders stark beim langfristig besonders wichtigen Abo.

In der Branche wird damit gerechnet, dass vor allem beim Berliner Verlag (Berliner Zeitung, Kurier, Tip) demnächst wieder stärker als bisher ins Marketing investiert wird. Diese Ausgaben waren unter dem Finanzinvestor David Montgomery drastisch gesenkt worden, um Geld zu sparen und so kurzfristig die Rendite zu erhöhen. Mit einer Neuauflage des "Berliner Zeitungskriegs" der 1990er-Jahre, als Tagesspiegel und Berliner Zeitung mit ungeheurem Werbeaufwand versuchten, den jeweils anderen als Hauptstadtzeitung zu übertrumpfen, rechnet allerdings niemand.

"Ein Zeitungskrieg liegt uns fern", so Maroldt, "wir fühlen uns der Konkurrenz gut gewachsen." Für den Zeitungsmarkt in Berlin sei es nur gut, "wenn in die Qualität von Zeitungen investiert wird".

Auch Tagesspiegel-Herausgeber Hermann Rudolph sieht den Konkurrenten unter neuer Leitung gelassen: Berliner Zeitung und Frankfurter Rundschau seien demnächst wohl eher damit beschäftigt, die Details der geplanten Kooperation zwischen den nun beiden zu DuMont gehörenden Blättern festzulegen - "so was braucht Zeit", so Rudolph.

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