Nach Terroranschlägen von Bombay: Indien erhöht den Druck auf Pakistan

Indiens Premierminister Manmohan Singh wirft pakistanischen Behörden explizit eine Unterstützung des Terroranschlags von Bombay vor.

Hat genug Vorwürfe für Pakistan übrig: Indiens Premier Manmohan Singh. Bild: dpa

DELHI taz Von einer drohenden militärischen Konfrontation zwischen den Atommächten Indien und Pakistan wegen der Anschläge von Bombay Ende November mit 172 Toten ist lange nicht mehr die Rede gewesen. Es herrschte gespannte Ruhe. Doch jetzt verstärkt Delhi wieder den Druck auf Islamabad. Am Dienstag erhob Indiens Premier Manmohan Singh die bis dahin schwersten Vorwürfe: Angesichts der "Ausgereiftheit und der militärischen Präzision" der Attacke müssten die Attentäter "von einigen offiziellen Behörden in Pakistan unterstützt worden sein". Mehr noch: Die Regierung in Islamabad setze Terrorismus als "Mittel staatlicher Politik" ein. Singh machte die Gruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) für den Angriff verantwortlich.

Am Montag hatte die Regierung in Delhi Pakistan formell ein Dossier mit Material übergeben. Das soll beweisen, dass die Attentäter aus Pakistan stammen. Der Zeitpunkt war sorgfältig ausgewählt. Denn der stellvertretende US-Außenminister Richard A. Boucher war gerade zu Gesprächen in Islamabad. Auch er erklärte, die Attentäter hätten ganz klar "Verbindungen zu pakistanischem Boden". Indien versucht offenbar, mit seinen offensiven Vorwürfen auch die USA dazu zu bewegen, ihren Druck auf Pakistan zu erhöhen. Statt wie früher auf militärische Drohungen, die in Pakistan nur zu größerem Spielraum für militante Islamisten führen würden, setzt Indien jetzt auf diplomatischen Druck. Dafür sind die USA zentral. Islamabad reagierte prompt: "Die Regierung von Pakistan weist die unseligen Vorwürfe, die Indiens Premier erhoben hat, entschieden zurück", erklärte das Außenministerium. Indien habe sich entschieden, eine "Propagandaoffensive" einzuleiten, statt auf Islamabads Angebot einer gemeinsamen Untersuchung einzugehen.

Ob das Beweisdossier Islamabad nun dazu bewegt, einzugestehen, dass die Urheber der Terrorattacke aus Pakistan stammen, ist daher mehr als fraglich. Denn das Dokument stützt sich vor allem auf Aussagen von Mohammed Ajmal Amir Kasab, dem einzigen überlebenden Attentäter. Doch sein Geständnis dürfte unter Folter entstanden sein. Vor Gericht hätte es kaum Bestand. Daneben enthält das Dossier Aufnahmen von Kleidungsstücken und Waffen, die aus Pakistan stammen sollen, sowie Protokolle von Telefonaten, welche die Attentäter während des Angriffs führten. Diese belegen jedoch nur, dass die Terroristen und ihre Anleiter Punjabi sprachen - und somit auch aus dem indischen Teil der geteilten Region Punjab stammen könnten.

Dabei ist es nicht auszuschließen, dass Teile von Pakistans berüchtigtem Militärgeheimdienst Inter-Services-Intelligence (ISI) zumindest über die Vorbereitungen zu dem Terrorangriff informiert waren. Schließlich hat der ISI viele militante Islamistengruppen lange offen unterstützt. Erst nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und einem gescheiterten Sturm auf das indische Parlament durch mutmaßlich LeT-Anhänger im Dezember desselben Jahres verbot der damalige pakistanische Präsident Pervez Musharraf die Gruppen auf Druck durch die USA und ließ ihre Anführer medienwirksam festnehmen. Kurze Zeit darauf waren sie jedoch wieder frei.

Daher sind die Vorwürfe von Indiens Premier Singh sicher nicht gegenstandslos. Nur treffen sie mit Pakistans jetziger demokratisch gewählter Regierung den Falschen. Präsident Asif Zardari kam überhaupt erst ins Amt, weil seine Frau Benazir Bhutto vor knapp einem Jahr von mutmaßlichen Islamisten getötet wurde. Doch neben der gewählten Regierung hat die Armee zumindest in der Sicherheitspolitik weiterhin das Sagen. Daher müsste die Regierung in Islamabad zunächst alle Seilschaften zwischen der Armee, dem Geheimdienst und militanten Islamisten zerschlagen, bevor sie mit Sicherheit eine Beteiligung pakistanischer Stellen an den Anschlägen von Bombay ausschließen könnte.

Doch ob die Regierung in der Lage ist, gegen die langjährige Elite des Landes vorzugehen, die im Hintergrund immer noch die Fäden zieht, ist mehr als fraglich.

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