In Finanznot geratener Milliardär: Adolf Merckle begeht Selbstmord

Milliardär Adolf Merckle ist tot. Der 74-Jährige wurde bei Ulm von einem Zug erfasst. Seine Unternehmen wie der Pharmakonzern ratiopharm waren in der Finanzkrise unter Druck geraten.

Die Ermittler gehen von einem Suizid aus: Adolf Merckle. Bild: dpa

STUTTGART dpa Tragisches Ende eines erfolgsverwöhnten Großindustriellen: Der durch die Finanzkrise und Fehlspekulationen zuletzt stark in Bedrängnis geratene Milliardär Adolf Merckle hat sich am Montag bei Ulm von einem Zug überfahren lassen. Die wirtschaftliche Notlage seiner Unternehmen (ratiopharm, HeidelCement) und "die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können", hätten den 74-Jährigen gebrochen, teilte die Familie am Dienstag mit. "Er hat sein Leben beendet." Merckle galt mit einem geschätzten Vermögen von 6,9 Milliarden Euro als fünftreichster Mann Deutschlands.

Merckle wurde am späten Montagnachmittag nahe seiner Wohnung in Blaubeuren bei Ulm von einem Zug erfasst. Mitarbeiter der Deutschen Bahn hätten den Leichnam um 19.30 Uhr entdeckt und die Polizei alarmiert, teilte die Staatsanwaltschaft Ulm am Dienstag mit. Die Ermittlungen hätten "klare Hinweise" darauf ergeben, dass es sich bei dem getöteten Fußgänger um Merckle handele. Seine Angehörigen meldeten den 74-Jährigen am gleichen Abend als vermisst. Adolf Merckle war am Nachmittag aus dem Haus gegangen und nicht zurückgekehrt. Er soll einen Abschiedsbrief hinterlassen haben. Letzte Sicherheit zur Identität der Leiche soll im Laufe der Woche eine DNA-Analyse bringen.

Merckles Firmenimperium - zu dem der Pharmakonzern ratiopharm und der Zementhersteller HeidelbergCement gehören - war durch die Finanzkrise und nach Verlusten bei Spekulationen mit VW-Aktien ins Wanken geraten. Zuletzt hatte es wochenlange zähe Verhandlungen mit den Gläubigerbanken über einen Überbrückungskredit in Höhe von 400 Millionen Euro gegeben. Im Gegenzug sollte Merckle die Kontrolle über wichtige Teile seines Unternehmensgeflechts abgeben. Die baden- württembergische Landesregierung hatte eine Bürgschaft zugunsten Merckles abgelehnt.

In der Erklärung der Familie Merckle hieß es: "Die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und die damit verbundenen Unsicherheiten der letzten Wochen sowie die Ohnmacht, nicht mehr handeln zu können, haben den leidenschaftlichen Familienunternehmer gebrochen, und er hat sein Leben beendet."

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) würdigte Merckle als "große Unternehmerpersönlichkeit". "Trotz der Finanzprobleme der letzten Wochen hat Adolf Merckle ein mittelständisches Unternehmen von europäischer Bedeutung aufgebaut. Sein unternehmerisches Vermächtnis bleibt", betonte Oettinger in einer Mitteilung. Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte in Berlin: "Er war ein leidenschaftlicher Unternehmer und bedeutender Mäzen. Das Gemeinwesen lag ihm immer sehr am Herzen."

Auf die Bemühungen zur Sanierung von Merckles Vermögensgesellschaft VEM werde der Tod des 74-Jährigen keine Auswirkungen haben, teilte eine VEM-Sprecherin in Ulm mit. Die letzten Vereinbarungen, die Merckle kurz vor seinem Tod mit den rund 30 Gläubigerbanken geschlossen hatte, wiesen in die richtige Richtung, sagte sie. Merckle habe "als Familienunternehmer zahlreiche Unternehmen zu nachhaltigem Wachstum geführt und damit die Voraussetzungen für eine dynamische Entwicklung von Wirtschaftsstandorten in ganz Deutschland geschaffen".

Der Finanzierungsbedarf Merckles wurde in Finanzkreisen auf bis zu eine Milliarde Euro geschätzt. Weitere Quellen sprechen davon, dass auf Merckles Vermögensverwaltung VEM mindestens Schulden in Höhe von drei bis fünf Milliarden Euro lasten. Hintergrund der Krise bei VEM sind Kapitalerhöhungen vor allem bei HeidelbergCement, die teilweise mit Krediten finanziert wurden. Als Sicherheiten für diese Kredite wurden Aktien hinterlegt. Durch die Finanzkrise ist deren Wert abgestürzt. Außerdem hatte sich der Milliardär mit VW-Aktien verzockt und einen dreistelligen Millionenbetrag verloren.

Im weit verzweigten Merckle-Imperium sind mehr als 100 000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Jahresumsatz liegt bei 30 Milliarden Euro. Rund 100 Unternehmen sollen zu Merckle gehören.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.