Ende der Landesförderung: Witten-Herdecke unter Schock

Die Privatuni Witten-Herdecke versteht die Welt nicht mehr: Studenten wollen freiwillig mehr Gebühren zahlen, doch das Land NRW streicht ihnen die Förderung.

Hat dieses Ortsschild bald ausgedient? Bild: dpa

KÖLN taz Schwer geschockt hat die Universität Witten/Herdecke auf die Streichung ihrer Landesförderung reagiert. "Diese Entscheidung kommt für die Universität absolut überraschend und ist nicht nachvollziehbar", heißt es in einer Stellungnahme der Hochschulleitung. Durch die ausbleibende Förderung sei das Weiterbestehen der Privathochschule gefährdet. "In letzter Konsequenz gefährdet die Landesregierung auch insgesamt 600 Arbeitsplätze sowie die Ausbildung von über 1.200 Studierenden." Mit sofortiger Wirkung stellte der Präsident und Geschäftsführer der privaten Hochschule, Birger Priddat, am Donnerstag sein Amt zur Verfügung.

NRW-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass er Deutschlands ältester und größter Privatuniversität für das Jahr 2008 zugesagte Landesmittel in Höhe von 4,5 Millionen Euro nicht auszahlen werde. Als Begründung gab er an, sie habe keine ordnungsgemäße Geschäftsführung nachweisen und weder für 2009 noch für die darauffolgenden beiden Jahre einen verlässlichen Wirtschaftsplan vorlegen können. Außerdem fordert das Land für das Jahr 2007 bereits ausgezahlte Gelder in Höhe von 3 Millionen Euro zurück.

Den Vorwürfen widerspricht die Hochschulleitung entschieden. Entgegen der Aussage Pinkwarts erfülle die Privatuni vielmehr die rechtlichen Voraussetzungen für die Zuwendung. So habe sie "einen durch den Wirtschaftsprüfer plausibilisierten Plan für die Jahre 2009 bis 2011 vorgelegt, der einen ausgeglichenen Haushalt erwarten lässt", heißt es in der Uni-Erklärung. Dieser Wirtschaftsplan sei auch belastbar. Die Hochschulleitung räumt indes ein, dass darin Risiken enthalten seien: "Die Finanzmarktkrise macht auch vor der UWH und ihren Spendern nicht halt." Die Liquidität für die ersten Monate des Jahres 2009 sei jedoch durch eine Bürgschaft sichergestellt.

Bis zur vergangenen Woche sei der Uni aus Kreisen des Landesregierung kontinuierlich bestätigt worden, dass sie "auf ein politisches Bekenntnis des Landes zählen kann, welches auch über die in Aussicht gestellten 4,5 Mio. Euro hinaus gehende Mittel von ca. 900 Tausend Euro für 2008 umfassen sollte." Die nun erfolgte Kehrtwende könne sich die Uni nicht erklären. Sie werde deswegen "umgehend eine juristische Prüfung des Vorgehens" einleiten, teilte die Hochschulleitung mit. Auch die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der heutigen Geschäftsführung seien „nicht nachvollziehbar“. Trotzdem habe sich Uni-Präsident Priddat zum Rücktritt entschlossen, um „die Voraussetzungen für einen Neuanfang in der Beziehung zum Land Nordrhein-Westfalen zu schaffen“.

Bestürzt reagierten auch die Studierenden auf die Mittelstreichung. Die Entscheidung sei für sie "völlig unerwartet" gekommen. "Es herrscht großes Unverständnis!", heißt es in einer Erklärung der Studierendenvertretung. Erst am vergangenen Freitag hatten die Studierenden beschlossen, ihre Uni stärker finanziell unterstützen zu wollen: durch eine Steigerung der Beiträge der Studierenden um bis zu 60 Prozent. Deswegen seien sie nun "im besonderen Maße enttäuscht, dass wider ihrer finanziellen Bereitschaft und exzellenter Studienleistungen die Uni seitens der Landesregierung nicht als förderungswürdig eingestuft wird". Derzeit zahlt ein Studierender je nach Fachrichtung eine Studiengebühr zwischen 9.600 für die Philosophie und 45.000 Euro für die Zahnmedizin.

Witten-Herdecke wurde 1982 als erste Privatuniversität Deutschlands anerkannt. Bis heute ist die anthroposophisch inspirierte Einrichtung die einzige private Hochschule, die auch Mediziner ausbildet. Schon seit langem befindet sie sich allerdings in einer bedenklichen finanziellen Schieflage. Drei bis vier Millionen Euro fehlen ihr strukturell Jahr für Jahr und müssen durch zusätzliche Geldgeber, Stifter oder Zuschüsse ausgeglichen werden. Seit 1995 hat die nordrhein-westfälische Landesregierung deshalb bislang insgesamt rund 50 Millionen Euro an die Hochschule gezahlt, ohne sie damit jedoch perspektivisch stabilisieren zu können. Durch den Absprung eines Hauptsponsors im August dieses Jahres hatte sich die finanzielle Situation nochmals verschärft.

Im NRW-Landtag stieß der Entschluss Pinkwarts, die Privathochschule nicht weiter zu fördern, denn auch bei allen Fraktionen auf Verständnis. Die CDU nehme die aktuellen Turbulenzen mit "großem Bedauern" zur Kenntnis, sagte der hochschulpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Michael Brinkmeier. "Es müssen jetzt und sofort Möglichkeiten geschaffen werden, dass die Studierenden ihr Studium ordnungsgemäß abschließen können", sagte Brinkmeier. "Die FDP hatte immer Sympathie für die Privatuniversität Witten-Herdecke", betonte FDP-Landtagsfraktionsvize Christian Lindner. Aber deswegen könne es keine Ausnahmen vom Haushaltsrecht geben. Voraussetzung für Staatsmittel sei nun einmal eine dauerhaft tragfähige Finanzierung. "Es ist bedauerlich, dass diese von der Hochschulleitung in Witten-Herdecke nicht erreicht werden konnte", sagte Lindner.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.