Regieren in der Krise: Bayern wird wieder Traumland

Horst Seehofer kündigt in seiner Regierungserklärung trotz klammer Finanzen einen Kuschelkurs an. Schuld daran ist auch der selbstbewusste Koalitionspartner FDP.

Aktivisten der Organisation Attac demonstrieren vor Beginn der ersten umfassenden Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Bild: dpa

MÜNCHEN taz Für die graue Realität nimmt sich Horst Seehofer genau zwei Sätze Zeit. Bayern gehe "durch die wohl schwierigste Phase seit dem Wiederaufbau nach dem Krieg", sagt Seehofer mit ernstem Gesicht zum bayerischen Landtag. "Die Schönwetterperiode mit steigenden Wachstumsraten, sinkender Arbeitslosigkeit und sprudelnden Steuereinnahmen ist vorbei." Mehr sagt Bayerns neuer Ministerpräsident nicht zur Krise.

Es ist die lang erwartete Regierungserklärung Seehofers. Das Landesbank-Desaster drückt milliardenschwer auf den Haushalt, die sonst so starke bayerische Wirtschaft kriselt, und an diesem Mittwoch soll Seehofer erklären, wie er unter solch verschärften Bedingungen überhaupt regieren will. Doch trotz der Krise kündigt Seehofer keine harten Einschnitte und keine Grausamkeiten an. Er hält eine Rede, die keinem wehtut. "Mit einem Wort", erklärt Seehofer, "Bayern ist großartig." Die Abgeordneten applaudieren.

Trotz der Schulden durch die Landesbank-Rettung werde man an den geplante Investitionen festhalten, kündigt Seehofer an. Man werde in den kommenden zwei Jahren 2.000 neue Lehrer einstellen, 38.000 neue Studienplätze schaffen, 1.000 neue Polizisten beschäftigen und in Klimaschutz investieren. Die für die Finanzspritze an die Landesbank fälligen Zinsen werde man bis 2011 aus Rücklagen bezahlen, für die Zeit danach wolle die Regierung noch ein Konzept erarbeiten. Bayern solle unter ihm zum Vorreiter in sozialer Gerechtigkeit werden, meint Seehofer und ruft: "Die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft wird von München ausgehen."

Die Opposition ist von so vielen Versprechungen beinahe irritiert. "Das ist das genaue Gegenteil dessen, was Sie in den vergangenen Jahren gemacht haben", sagt SPD-Fraktionschef Franz Maget zur CSU. Seehofers Redenschreiber hätten ja beinahe aus dem Programm der Sozialdemokraten kopiert. Und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern findet: "Das entspricht fast alles dem, was wir als Freie Wähler gefordert haben." Als noch Edmund Stoiber Ministerpräsident war, kündigte der bei Regierungserklärungen gerne radikale Sparprogramme und andere Grausamkeiten an. Seehofer kann sich solch ein Regieren von oben herab auch in der angespannten Finanzlage nicht mehr leisten. Denn selbst in der Regierung ist seine Macht beschränkt. Der kleine Koalitionspartner von der FDP agiert gegenüber der CSU selbstbewusster als erwartet.

Hart erkämpfte Projekte der Stoiber-Ära werden derzeit von der FDP entsorgt. Die umstrittene 50-Euro-Verwaltungsgebühr für Studenten: abgeschafft vom FDP-Forschungsminister. Der umkämpfte Ausbau des Flughafens Oberpfaffenhofen: gestrichen vom FDP-Wirtschaftsminister. Die Koalition zwingt Seehofer zur Bescheidenheit. Selbst zum Thema innere Sicherheit kündigt Bayerns Ministerpräsident nun beinahe kleinlaut an: Er werde alles tun, um das Gleichgewicht zwischen dem Schutz und der Freiheit der Bürger zu wahren.

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