Urteil in MySpace-Selbstmordfall: Lasche Strafe für Cyber-Mobbing

Die Strafe für eine Frau, die die Freundin ihrer Tochter auf MySpace so lange quälte, bis diese Selbstmord beging, fiel milde aus. Es fehlen entsprechende Anti-Mobbing-Gesetze.

Megan M. brachte sich um, nachdem ihre MySpace-Liebschaft schrieb: "Die Welt wäre ohne dich ein besserer Ort". Bild: photocase/kaktus66

Das Verfahren galt als einer der spektakulärsten Fälle in der jüngsten Internet-Geschichte: Die Geschworenen eines Bundesgerichtes in Los Angeles mussten in dieser Woche über das Strafmaß einer Mutter aus Missouri entscheiden, die auf dem Social Networking-Portal MySpace ein Mädchen mit so genanntem "Cyber-Mobbing" in den Tod getrieben haben soll. Die 49jährige Lori D. hatte sich vor zwei Jahren online als Junge ausgegeben, der sich angeblich für die 13jährige Megan M., einen Teenager aus der Nachbarschaft und die ehemals beste Freundin ihrer Tochter, interessierte. M. wurde der Staatsanwaltschaft zufolge von der Frau, ihrer Tochter und einer weiteren Erwachsenen systematisch "angefüttert" und dann schließlich online intensiv gehänselt. Die Aktion soll vier Wochen gedauert haben, bevor sich das Mädchen schließlich aus Verzweiflung umbrachte.

Die Verteidigung argumentierte, es gehe bei dem Verfahren nicht um ein "echtes Verbrechen", sondern um die schlichte Frage, ob D. mit ihrer Aktion die Nutzungsbedingungen von MySpace missbraucht habe. Dieser Ansicht folgte die Jury nun: Am Mittwoch entschied sie, D. nur wegen dreier minderer Delikte zu verurteilen, die alle auf Computerbetrug lauteten, weil sie einen gefälschten MySpace-Zugang eingerichtet hatte. Nicht einig wurden sich die Geschworenen hingegen im Anklagepunkt einer kriminellen Verschwörung gegen M., der Richter plädierte in diesem Fall deshalb nur auf einen ergebnislosen Prozess.

Die Jury hatte zuvor die D. eigentlich vorgeworfenen Straftaten zu minderen Delikten reduziert. Wäre sie dementsprechend verurteilt worden, hätten der Frau bis zu drei Jahren Gefängnis und Geldstrafen in Höhe von insgesamt 300.000 Dollar gedroht. Aber auch jetzt ist es noch möglich, dass D. als Ersttäterin ins Gefängnis muss. Ein endgültiger Verurteilungstermin mit Bekanntgabe des Strafmaßes steht noch aus - D.'s Anwalt plädierte auf einen neuen Prozess. Die 49-Jährige hatte das Pech, auf den Staatsanwalt von Los Angeles zu stoßen: An ihrem Heimatort hätte sie laut örtlichem Recht überhaupt nicht verurteilt werden können. Da MySpace seinen Sitz in Los Angeles hat, erklärte sich der dortige Staatsanwalt, Thomas O'Brien, für zuständig und zog das Verfahren an sich.

O'Brien sagte laut einem Bericht der "New York Times", das Urteil sende eine wichtige Botschaft an Menschen, die andere Personen im Internet ärgern oder auf andere Arten quälen wollten. "Wer ein kleines Mädchen verfolgt und dazu das Internet verwendet, wird von meiner Staatsanwaltschaft und anderen Staatsanwaltschaften in diesem Land zur Verantwortung gezogen." Das Verfahren war dabei keineswegs unumstritten: Noch nie zuvor wurde versucht, eine solche Mobbingtat über den Tatbestand des Computerbetrugs zu belangen. Entsprechend interessiert zeigte sich auch die Internet-Öffentlichkeit sowie IT-Experten.

Echte "Cyber-Mobbing"-Strafgesetze, die D. ihr Tun verboten und ihr eventuell eine Mitschuld am Selbstmord der 13jährigen gegeben hätten, existieren in den USA allerdings bislang nicht, weswegen D. nur über diesen Umweg belangt wurde. Einige Computerbetrugsexperten sagten, der Fall könne negative Auswirkungen auf die Nutzung anonymer Zugänge bei sozialen Netzwerken und anderer Dienste haben, da dies vom Gericht als minderes Vergehen gewertet wurde.

Im Verfahren, das insgesamt fünf Prozesstage dauerte, wurde deutlich, wie D., ihre Tochter und eine Angestellte von D. die minderjährige Megan M. gequält hatten. Sie erfanden dazu einen Teenager namens "Josh", der sich ihr flirtend online näherte. M. war zu diesem Zeitpunkt mit der Tochter von D. in einen schweren Streit verwickelt. Nach einigen Wochen der MySpace-Liebschaft schickte "Josh" Megan M. schließlich eine Botschaft, die diese dann offensichtlich in den Selbstmord trieb: "Die Welt wäre ohne Dich ein besserer Ort". M. hatte bereits zuvor unter Depressionen und Selbstmordgedanken gelitten. Sie schrieb an "Josh", er sei ein Junge, für den sich ein Mädchen umbringen könne. Sie erhängte sich laut Gerichtsakten am selben Tag in ihrem Schlafzimmer.

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