Völkermord-Anschuldigung gegen Serbien: Klage Kroatiens angenommen

Der Internationaler Gerichtshof in Den Haag lässt eine Klage wegen Völkermordes von Serben an Kroaten 1991 zu. Nun stellt sich auch die Frage nach Belgrads Verantwortung.

Kroatische Mütter mit Bildern ihrer Söhne, die 1991 in Vukovar getötet wurden.

PRISTHINA taz Das hatten die Kläger in Zagreb nach den Erfahrungen Bosniens mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag kaum zu hoffen gewagt. Doch der hat die Völkermordklage Kroatiens gegen Serbien angenommen. Zehn der 17 Richter bestätigten gestern mit ihrem Votum die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs, wie die Vorsitzende Richterin Rosalyn Higgins mitteilte.

Bis zuletzt hatte Serbien versucht, dieses Votum zu verhindern und einen Antrag auf Abweisung der Klage, die in einer ersten Form schon 1999 formuliert worden war, gestellt. Darin wird dem ehemaligen Jugoslawien, dessen Rechtsnachfolger Serbien ist, vorgeworfen, 1991 einen Völkermord an Kroaten begangen zu haben.

Nach der Ausrufung der Unabhängigkeit der Republik Kroatien vom damaligen Jugoslawien am 25. Juni 1991 begannen Truppen der Jugoslawischen Volksarmee, die von Freischärlern unterstützt wurden, alle Nichtserben aus den von Serben eroberten Gebieten in Kroatien zu vertreiben. Ausgehend von den Gebieten in Kroatien, in denen die Serben die Mehrheit der Bevölkerung stellten, eroberten die jugoslawisch-serbischen Truppen in den folgenden Monaten fast ein Drittel des Territoriums Kroatiens. Dabei kam es zu Übergriffen auf Zivilisten. Tausende Kroaten wurden getötet. Das vornehmlich von Kroaten bewohnte dalmatinische Dorf Kijevo bei Knin gehörte zu den ersten Opfern dieser "ethnischen Säuberungen". Nach dem Angriff wurde es dem Erdboden gleichgemacht. Auch in Slawonien, vor allem bei der Eroberung der Stadt Vukovar, kam es zu Gräueltaten. Ob jedoch dieses Vorgehen der serbisch-jugoslawischen Truppen als Völkermord bezeichnet werden kann, ist noch offen.

Mit der Annahme der Klage hat das Gericht noch keine Entscheidung in dieser Richtung präjudiziert. Serbien macht geltend, dass zwar Verbrechen verübt worden seien, die Schwelle zum Völkermord jedoch nicht überschritten worden sei. Interessant wird auch die Frage, wie das Gericht den Einfluss Belgrads auf die Ereignisse in Kroatien bewertet.

Im Falle Bosnien und Herzegowinas erklärte das Gericht zwar, die Einnahme Srebrenicas 1995 und die Ermordung von mehr als 8.000 Menschen sei Völkermord gewesen, der den bosnisch-serbischen Truppen zur Last gelegt wurde. Doch die noch größeren Verbrechen serbischer Truppen 1992 mit dem Aufbau von Konzentrationslagern wurden nicht als Völkermord bewertet.

Der Gerichtshof urteilte 2007 sogar, der serbischen Führung in Belgrad könne eine Verantwortung für das verbrecherische Vorgehen serbischer Militäreinheiten in Bosnien nicht nachgewiesen werden. Dabei verzichtete der Internationale Gerichtshof auf die Bewertung des Materials, das das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag im Falle des früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic zusammengetragen hatte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.