Suchmaschine sagt Grippewellen vorher: Dr. Googles Schnupfenprognose

Monatelang speichert der Suchmaschinenriese alle Anfragen seiner Nutzer. Mit diesem Informationshaufen soll nun Gutes getan werden: Google will mit seiner Analyse künftig Grippewellen erkennen können.

Wird er gleich niesen? Google weiß es bereits! Bild: ap

Wer das Gefühl hat, eine Grippe zu bekommen, begibt sich immer öfter nicht direkt zum Hausarzt, sondern erst einmal ins Internet, um dort selbstdiagnostisch nach entsprechenden Symptomen zu recherchieren. All diese Suchdaten landen zumeist bei der marktführenden Suchmaschine Google, die sie zusammen mit allen anderen Nutzeranfragen einen Zeitraum lang vorhält - aktuell mindestens neun Monate, bis ihre Herkunftsadresse teilweise anonymisiert wird.

Diese Informationen müssten sich doch eigentlich auch dazu nutzen lassen, Grippewellen vorherzusagen, dachten sich einige Wissenschaftler des Internet-Konzerns - und setzten in Rücksprache mit der US-Gesundheitsbehörde CDC ein entsprechendes Projekt auf, einen so genannten "Tracker".

Das Ergebnis nennt sich "Google Flu Trends" und soll in der Lage sein, regionale Großausbrüche von Schniefnase, Fieber und schwerem Halskratzen zwischen 7 und 10 Tagen früher vorherzusagen als sie von Ärzten an die CDC gemeldet werden, berichtete die "New York Times" in dieser Woche. So gab es im Frühjahr 2008 im Nordosten der USA einen größeren Ausbruch, den die Google-Forscher schon 14 Tage vor einer entsprechenden Spitze in den CDC-Daten erkennen konnten. Der neue Dienst ist nun direkt im Web zu finden und lässt sich sogar nach Bundesstaat sortieren, jeder erhält so ein individuelles Risikoprofil.

Das Werkzeug stammt von Google.org, dem Stiftungsableger des Suchmaschinenkonzerns, der im Gegensatz zu vielen anderen philanthropischen Projekten großer Firmen nicht vollständig gemeinnützig arbeitet, sondern auf Profit ausgelegt ist, um auch kommerziellen Vorhaben unter die Arme greifen zu können. Drei Millionen Aktien wurden dem Projekt dazu beim Google-Börsengang zur Verfügung gestellt, aktuell haben diese einen Wert von rund 940 Millionen Dollar, nachdem sich der Kurs des Papiers innerhalb eines Jahres aufgrund der allgemeinen Wirtschaftskrise halbiert hatte.

Seit der Gründung beschäftigt sich Google.org unter anderem mit umweltfreundlicher Fahrzeugtechnik, neuartiger Medizintechnologie und anderen wissenschaftlichen Aspekten, die die Mutterfirma für interessant hält. Die Nutzung verfügbarer Daten gehört ausdrücklich dazu.

Forscher glauben, dass sich nicht nur Grippewellen aus den bei Google gehorteten Datenbergen vorhersagen lassen können, sondern auch andere Krankheitstrends. "Aus einer technologischen Perspektive ist das nur der Anfang", meint auch Google-Boss Eric Schmidt. Philip Polgreen, Juniorprofessor für Medizin und Epidemiologie, der bereits mit entsprechenden Daten des Google-Konkurrenten Yahoo gearbeitet hat, sagte der "New York Times", das sei derzeit noch Theorie, aber umsetzbar.

Noch ist allerdings nicht bekannt, wie Google bei seiner Grippevorhersage genau vorgegangen ist. Eine entsprechende Studie soll bald im wissenschaftlichen Journal "Nature" erscheinen. Bis dahin sei unklar, ob die Daten wirklich so viel besser seien als die, die direkt von Ärzten und Krankenhäusern stammten, heißt es aus Expertenkreisen.

Sollte sich die Technik aber durchsetzen, könnten die gigantischen Suchdaten auch zu anderen Vorhersagezwecken verwendet werden. John Battelle, ein bekannter US-IT-Journalist, der 2005 ein Standardwerk über Google & Co. schrieb, nennt Suchmaschinen eine "Datenbank unserer Absichten". Google wisse damit oft mehr über uns, als unsere Familie oder unsere Freunde, weil wir dem Sucheingabefeld enorm viel anvertrauten.

Aus dieser Tatsache ergab sich auch das Geschäftsmodell des Konzerns, nach dem dieser in den Anfangsjahren erst suchen musste: Da Google weiß, nach was wir im Netz fahnden, können sofort passende Werbeanzeigen eingeblendet werden, die diese Fragen womöglich beantworten.

Eine tiefergehende Analyse von Suchanfragen könnte so beispielsweise auch ermöglichen, Wirtschaftstrends zu bestimmen. Geben besonders viele US-Bürger das Wort "Zwangsvollstreckung" bei Google ein, ist klar, dass der Immobilienmarkt am Boden liegt.

Bislang nutzt der Suchmaschinenkonzern diese Informationen noch nicht kommerziell, unterhält allerdings Journalisten mit einer jährlichen "Zeitgeist"-Liste, die besonders häufig eingetippte Suchanfragen enthält. "Google Flu Trends" könnte deshalb auch ein Trend für Google werden, neue Geldquellen zu erschließen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.