WAZ-Mitarbeiter wütend über Sparpläne: "Die wollen uns weich kochen"

Die WAZ-Betriebsversammlung verdeutlichte die Zukunftsangst im Konzern. Von 900 Mitarbeitern der NRW-Zeitungen kamen 800 - die Verlagschefs kniffen.

Macht als einzige Zeitung der Gruppe noch plus: WAZ Bild: dpa

Rüdiger Oppers hätte eine triftigen Grund gehabt abzusagen - seinen Fuß. Der Chefredakteur der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) geht derzeit an Krücken, was ihn aber nicht davon abhält, zur Betriebsversammlung der WAZ-Mediengruppe in die Essener Lichtburg zu humpeln.

Das Kino ist rappelvoll an diesem Dienstag. Die Betriebsräte aller vier NRW-Zeitungen des Verlags haben eingeladen, um über die Lage des Konzerns zu informieren. Wie düster diese ist, zeigt sich an der Zahl der erschienenen Kollegen: Gut 800 von 900 sind angereist, aus allen Ecken des Bundeslandes.

Zwei entscheidende Personen aber fehlen: die Geschäftsführer Bodo Hombach und Christian Nienhaus. Die WAZ-Chefs ziehen es vor, der Krisensitzung fernzubleiben. Noch seien keine Entscheidungen getroffen, wie der Verlag umgebaut werde, teilen sie mit. Deshalb sei zu befürchten, dass der Termin "zu weiteren Frustrationen" führe - was er tut: Die Belegschaft ist wütend, abermals vertröstet zu werden; ihre Angst vor harten Einschnitten ist förmlich zu spüren: Spricht niemand, ist es im Kino still wie in einer Kirche.

"Es ist beschämend, dass Herr Hombach und Herr Nienhaus nicht hierhin gefunden haben, sich unseren Fragen zu stellen", ruft Volker Dörken, Betriebsrat der Westfalenpost, seinen Kollegen zu. Eine Kollegin bemerkt, dass die Geschäftsführung es bislang vorgezogen habe, statt mit der Belegschaft mit anderen Medien zu sprechen. Ein Redakteur hält das für Kalkül: "Die wollen uns weichkochen", sagt er, "uns Angst machen."

Bisher kennen alle hier nur die kursierenden Hiobsbotschaften: 30 Millionen Euro will die WAZ-Gruppe in NRW sparen; einen zentral produzierten Mantel soll es geben; 300 Stellen sollen dem Umbau angeblich zum Opfer fallen.

Zur Aufklärung trägt auch WAZ-Personalmanager Joachim Kopatzki wenig bei. Kopatzki ist gekommen, um die düstere Lage der WAZ auszumalen - mit Zahlen wie diesen: Bis Jahresende würden die Zeitungen 10 Millionen Euro Miese machen, sagt er. Seit 2006 habe der Verlag in NRW 35 Millionen Euro weniger Ergebnis eingefahren. Nur die Westdeutsche Allgemeine Zeitung mache noch Plus, was aber von den anderen Titeln, allen voran von der Westfälischen Rundschau (WR), absorbiert werde.

Kopatzki sagt nichts dazu, wie viele Mitarbeiter eventuell den Hut nehmen müssen; aber er sagt: "Unvermeidliche Restrukturierungen zu unterlassen, nur um sozialverträglich zu erscheinen, wäre fahrlässig." Dann geht er von der Bühne; das Publikum schweigt.

Buh-Rufe für Reitz

Die Lage der NRW-Zeitungen mag ernst sein. Die Gewerkschaften aber weisen darauf hin, dass es dem WAZ-Konzern, der auch im Ausland agiert, insgesamt gut gehe, was auch die WAZ nicht bestreitet. Ver.di und der Deutsche Journalistenverband hoffen, dass es nicht zu Kündigungen kommt. Obschon WAZ-Chefredakteur Ulrich Reitz bei der Versammlung sagt: "Wir werden uns von Menschen trennen. Und seien Sie versichert: Wir werden ihnen dabei in die Augen schauen."

Als Reitz, der unlängst in die Geschäftsführung berufen wurde, spricht, gibt es erstmals Buhrufe. Er beginnt seinen Auftritt halblaunig: "Mahlzeit!", sagt er, fährt dann betont getragen fort und fragt, ob es "gerecht" sei, mit dem Geld, dass die WAZ-Titel am Balkan erwirtschafteten, die NRW-Zeitungen zu finanzieren. Er finde, nicht.

Einem Redakteur im Publikum platzt der Kragen: Investitionen im Ausland seien doch erst mit dem Geld der Stammtitel möglich gewesen, ruft er. Andere erinnern an die einstigen Geschäftsführer Erich Schumann und Günther Grotkamp: Die hätten die Aktivitäten in Südeuropa damit begründet, heimische Arbeitsplätze zu sichern.

Es ist wie bei jeder Konzernkrise: Irgendwann fragen sich die Arbeiter, weshalb sie bluten sollen, nicht aber die Oberen. WR-Betriebsrat Malte Hinz merkt an, dass die Eignerfamilien der WAZ über ein Vermögen von rund 4 Milliarden Euro verfügen würden: "Deshalb sollten sie die Einschnitte jedenfalls so lange strecken, dass sie sozialverträglich abgehandelt werden können." Und eine Kollegin fragt, wie viel die Geschäftsführer denn von ihren Gehältern abgeben würden?

Eine Antwort auf die Frage gibt es nicht. Vielleicht aber beim nächsten Mal, im Dezember. Hombach und Nienhaus haben ihr Kommen für diese Versammlung angekündigt; zuvor, am Freitag kommender Woche, wollen sie ihre Pläne ausbreiten.

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