Innenminister über Anti-Castor-Proteste: Demonstranten sollen haften

Castor-Transport 2008: Dreimal so viele Demonstranten wie vor zwei Jahren. Innenminister will Protestler künftig stärker persönlich zur Verantwortung ziehen.

Ihre Befreiung hat ganz schön gekostet: Mitglieder der Baeuerlichen Notgemeinschaft um eine Betonpyramide. Bild: ap

Kaum ist der Castor-Transport zu Ende, geht der Streit um Endlager, Kosten des Einsatzes sowie um gewaltbereite Demonstranten weiter. Während der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt erklärte, die Deeskalationsstrategie der Polizei beim Castor-Einsatz sei „grandios gescheitert“, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU), das könne jeder behaupten, „der nur noch im Gewerkschaftsbüro sitzt“. Der Einsatz sei „insgesamt positiv gelaufen“, betonte der Minister.

Laut Polizeistatistik sind beim diesjährigen Castor-Protest 95 Strafverfahren gegen "Störer" eingeleitet worden, 46 wurden festgenommen. Beim Transport vor zwei Jahren hatte es noch 68 Strafverfahren gegeben. Insgesamt zählte die Polizei 293 Ingewahrsamnahmen (2006: 598), 723 Identitätsfeststellungen, 2.478 Platzverweise und 50 sichergestellte Traktoren. Die Beamten registrierten 36 angemeldete Demonstrationen. Insgesamt seien 50 Polizeibeamte während des viertätigen Protestes verletzt worden, davon zwölf "durch Einwirkung von Störern (z. B. Stein- / Flaschenbewurf)". Nach Polizeiangaben haben eine Frau und zwei Männer, die sich in Berg in der Pfalz an das Gleisbett angekettet hatten, den Transport um zwölf Stunden verzögert. Die Betonpyramiden im wendländischen Grippel, an denen sich jeweils vier Personen angekettet hatten, sollen den Transport um weitere fünf Stunden blockiert haben.

Am Dienstag um 0.19 Uhr hatte der Zug mit den elf Atommüllbehältern aus dem französischen La Hague die Gitter des Zwischenlagers in Gorleben erreicht. Mit über 78 Stunden war dieser elfte Transport der bislang zeitlich längste. „Mir kam es nicht darauf an, den schnellsten Transport aller Zeiten durchzuführen“, sagte Polizeipräsident Friedrich Niehörster später. Ihm sei ein behutsames Vorgehen der Polizisten wichtiger gewesen: „Niemand kann sagen, dass wir uns nicht bemüht hätten, besonders freundlich zu sein“, betonte der Leiter des Castor-Einsatzes.

Fast niemand. Beamte seien mit „Wasser-Urin-Gemisch und ganz anderen Substanzen“ bespritzt worden, sagte Niehörster. Andere seien „mit Pyrotechnik, angezündeten Strohballen und Steinen“ beworfen worden, so dass „Schlagstockeinsatz und auch Wasserwerfer“ notwendig wurden, sagte Schünemann.

Zwölf der insgesamt 17.600 Beamten von Bundes- und Länderpolizeien seien durch Protestler verletzt worden. Genauso viele wie beim letzten Castor-Transport vor zwei Jahren. Dabei hatte es 2006 nur rund 5.000 Demonstranten gegeben, beim diesjährigen Protest waren es rund dreimal so viele. Die Zahl der Polizeieingriffe sei teilweise sogar unter das Niveau von 2006 gefallen (siehe Kasten). Einsatzleiter Niehörster sprach von einem „ähnlichen Procedere“ wie im Jahr 2006.

Schünemann lobte die „absolut friedliche“ Auftaktdemonstration am Sonnabend und die ebenso unauffälligen Schülerproteste vom Freitag. Ähnlich die Sitzblockade mit rund 1.200 Teilnehmern vor dem Zwischenlager. Gleichzeitig klagte der Minister über 1.600 „gewaltbereite“ und 150 „autonome“ Demonstranten, die „aus dem Wald heraus immer wieder Aktivitäten“ auf den Zug mit den Castor-Behältern gestartet hätten.

Renitente Ruhestörer will Schünemann künftig allerdings kräftig zur Kasse bitten: Demonstranten sollen für die Schäden, die sie verursachen, zivil- und strafrechtlich besser belangt werden können, sagte der Minister. Die Castor-Protestler, die mit zwei Beton-Pyramiden den Transport aus der Wiederaufarbeitungslage im französischen La Hague ins Wendland aufgehalten haben, hätten „Kosten, die aus meiner Sicht nicht zu rechtfertigen sind, verursacht“, ärgerte sich Schünemann. Niedersachsen werde sich auf der nächsten Justizministerkonferenz dafür einsetzen, dass Übeltäter künftig stärker belangt werden können. Die Landwirte von der Bäuerlichen Notgemeinschaft hatten mit den ausgeklügelten Pyramiden den Transport fünf Stunden lang aufgehalten. Hochgerechnet auf 8.000 Polizisten bei Überstundenkosten von 16 Euro hat die Aktion den Steuerzahler rund 600.000 Euro gekostet, rechnete das Innenministerium prompt vor. Manche Castor-Gegner machten sich offensichtlich inzwischen einen „Sport“ aus dem Blockieren der Transporte, sagte Niehörster.

Der Versuch, andere Bundesländer für die Kosten der Castor-Demonstration heranzuziehen, dürfte auch in diesem Jahr scheitern: Er rechne mit Einsatzkosten in Höhe von 20 Millionen Euro, so viel wie vor zwei Jahren, aber mehr als erwartet , sagte Schünemann. Und klagte wie bereits bei den vergangenen Transporten, dass andere Bundesländer Rechnungen für Überstunden ihrer Polizisten stellten. Dabei sei die Bewachung des Atommülls eine gesamtstaatliche Aufgabe. Aus Sachsen-Anhalt kam umgehend eine Absage: Das Land unterstütze Niedersachsen bereits „massiv durch die Bereitstellung von Polizeibeamtinnen und – beamten“, sagte Innenminister Holger Hövelmann (SPD). Und: „Eine weitere Beteiligung kommt nicht infrage.“

„Nötig ist jetzt keine Debatte über Polizeikosten“, sagte der Sprecher der Anti-Atom-Initiative X-tausendmal quer. Die Blockaden seien nur der „Preis einer verfehlten Atompolitik“. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) verlangte währenddessen von seinem Berliner Kollegen Sigmar Gabriel (SPD) konkrete Alternativen zu Gorleben. Es reiche nicht, eine alternative Standortsuche zu fordern, „ohne einen Vorschlag zu machen, in welche Richtung es gehen könnte“, sagte Sander. Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) kommentierte das mit: „Besser spät als nie.“

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