Kommentar Vico von Bülow: Loriots heile Fernsehwelt

Die Späße von Loriot gelten als zeitlos gut. Warum eigentlich? Das Loriot-Jubiläum zeigt, dass wir im Fernsehen wieder mehr wahrhaftige Charaktere brauchen.

Kürzlich randalierte ein alter Mann im deutschen Fernsehen. Marcel Reich-Ranicki hat zwar nicht den Hauch einer Ahnung vom Fernsehgeschäft, aber manchmal spricht eben gerade der Ahnungslose das Richtige im Falschen aus: Das deutsche Fernsehen ist tatsächlich schlecht. Nicht weil es zu wenig Kultur befördert, wie der 88-Jährige meint, sondern weil es der Entwicklung des internationalen Fernsehens um geschätzte 15 Jahre hinterherhinkt.

Das deutsche Fernsehen ist so miserabel, weil es die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht mehr abbildet. Es unterhält nicht einmal gut. Bis auf wenige Ausnahmen sind Personal und Inhalte völlig belanglos - zumindest für ein Publikum, das sich das bewahrt hat, was früher "Anspruch" hieß.

Da trifft es sich gut, dass heute ein Altgedienter des deutschen Fernsehens seinen 85. Geburtstag feiert. "Loriots 85." - die krumme Zahl klingt nach einer komischen Sendung von Loriot selbst. Sein Geburtstag bietet überall den Anlass, den "Klassiker" Loriot zu feiern. Loriot ist zeitlos gut, heißt es. Aber warum? War früher der Humor besser? Oder das deutsche Fernsehen?

Der Klassiker Loriot ist sicher kein Mozart des Humors, dafür war er nie revolutionär, nicht anarchistisch genug. Er ist eher ein Schubert, dessen Lieder in die bürgerliche Bildung eingeflossen sind wie Loriots Sketche in den Fernsehkanon. Und genau aus dieser (groß)bürgerlichen Bildungswelt stammen Vicco von Bülow und seine Komik. Er attackiert nie verletzend, ist immer versöhnlich und schwebt zeitlos über den alltäglichen Dingen. Damit wirkt Loriot aber oft auch biedermeierlich - gerade neben dem heutigen Industriehumor vom Schlage eines Atze Schröder oder Mario Barth, deren schnelllebige Komik allerdings nur noch brutale Langeweile verbreitet.

Braucht es also heute einen neuen Loriot? Bestimmt nicht. Aber es benötigt auf dem Bildschirm weniger industriell gefertigte Massenware. Nicht nur an den "Fun Freitagen" oder "Comedy Samstagen". Das Fernsehen braucht insgesamt wahrhaftigere Charaktere und intelligentere Autoren.

Vor allem aber benötigt es mehr Mut. Und den kann man als Fernsehverantwortlicher selbst von einem sanften Erneuerer wie Loriot lernen.

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Jahrgang 1961, lebt in Berlin-Friedenau und ist seit dem Jahr 2000 Redakteur für die Wahrheit-Seite der taz.

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