Ex-Innenminister über Verfassungsklage: "Ich fühle mich zur Klage verpflichtet"

Der Altliberale Gerhart Baum erklärt, warum er gegen die BKA-Novelle vors Verfassungsgericht ziehen wird: Der Kernbereich des Privaten sei nicht genug geschützt.

Wieder auf dem Weg nach Karlsruhe: Altliberaler Gerhart Baum. Bild: dpa

taz: Herr Baum, am Mittwoch wird die BKA-Reform im Bundestag beschlossen. Sie haben eine Verfassungsklage angekündigt. Was bemängeln Sie?

Gerhart Baum: Die Bundesregierung hat es wieder nicht geschafft, den Kernbereich privater Lebensführung ausreichend zu schützen. Das ist nicht nur eine rechtspolitische Kritik, dadurch wird die BKA-Novelle vielmehr verfassungswidrig. Teilweise fehlt der Schutz des Kernbereichs ganz, teilweise genügt er nicht den Anforderung des Bundesverfassungsgerichts.

Wo fehlt der Schutz ganz?

Bei der langfristigen Observation und wenn ein Gefährder außerhalb von Wohnungen abgehört und gefilmt wird. Das sind aber Ermittlungsmethoden, bei denen durchaus sehr persönliche Sachverhalte erfasst werden können.

Wie sieht es bei der Online-Durchsuchung von Computern aus?

Auch hier wird der Gesetzentwurf den Karlsruher Anforderungen nicht gerecht. Eine Ausspähung des Computers muss laut Entwurf nur unterbleiben, wenn "allein" Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Das wird natürlich nie der Fall sein. Auf einem Computer finden sich ja immer auch weniger private Inhalte.

Wie müsste die Bestimmung verfassungskonform formuliert werden?

Wenn man Online-Durchsuchungen überhaupt für nötig und sinnvoll hält - ich tue das nicht! - dann müsste der Zugriff auf den Computer immer dann ausgeschlossen sein, wenn es Indizien gibt, dass der private Kernbereich betroffen sein könnte.

Die Bundesregierung will, dass das BKA erst einmal die ganze Festplatte kopieren kann und anschließend allzu private Inhalte von den BKA-Beamten gelöscht werden. Genügt das nicht?

Natürlich nicht. Sie können von BKA-Beamten doch keine wirklich unabhängige Prüfung erwarten. Selbst wenn private Dateien wieder gelöscht werden, besteht die Gefahr, dass die Ermittler aus diesen persönlichen Informationen neue Ermittlungsansätze gewinnen.

Nach dem Kompromiss von letzter Woche soll neben zwei BKA-Beamten auch der Datenschutzbeauftragte des BKA in die Durchsicht einbezogen werden. Angeblich ist er völlig weisungsunabhängig....

Auch der BKA-Datenschutzbeauftragte ist nicht so neutral und unabhängig wie ein Richter. Ich frage mich, warum die Koalition hier unbedingt die Einschaltung eines Richters verhindern will.

Macht es Ihnen auch Spaß, der Bundesregierung in Karlsruhe eine Niederlage nach der anderen zuzufügen...

Darauf könnte ich verzichten. Es wäre mir lieber, wenn verfassungskonforme Gesetze beschlossen würden. Aber hier fühle ich mich schon deshalb zur Klage verpflichtet, weil ich mit frühereren Klagen die Vorgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des privaten Kernbereichs und zum Schutz von Computer-Festplatten erst erstritten habe. Jetzt will ich dafür sorgen, dass diese Vorgaben auch eingehalten werden.

Werden Sie diesmal allein Verfassungsbeschwerde erheben?

Nein, gemeinsam mit meinem Neffen Peter Schantz, einem hervorragenden Juristen, der schon bei der ersten Verfasungsbeschwerde gegen die Onlinedurchsuchung in NRW maßgeblich beteiligt war.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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