Kolumne Laufen: Ermittlungen im Hinterzimmer

Welches Instrument hat der Staat eigentlich gegenüber Sportverbänden, die kaum etwas gegen Doping tun? Er hat das Geld.

Heute tagt der Sportausschuss des Bundestages. Die Politik wird den Radsportpräsidenten Rudolf Scharping anhören und dann über eine Empfehlung abstimmen, ob den Radlern Gelder für das kommende Jahr gestrichen, gekürzt oder gesperrt werden. Der Grund: Der Radsportverband gehe zu lax mit der Dopingproblematik um. Nur der Radsportverband, werden Spötter fragen. Doch Hohn und Spott helfen nicht weiter. Viele Sportverbände beziehen Steuergelder, um eine Spitzensportförderung erst möglich zu machen. Welche Hebel hat aber der Staat gegenüber Sportverbände, die zu wenig im Kampf gegen Doping tun?

Der Sport sieht seine Aufgabe darin, zu kontrollieren und zu bestrafen. Die Kontrolldichte wird erhöht, das Abmeldeverfahren derart ausgeweitet, dass einem Angst und Bange wird, wegen der totalen Überwachung der Athleten, und logischerweise soll es härtere Strafen geben: lebenslange Sperre. Sehr viel mehr ist dem Sport nicht eingefallen, dem Problem Herr zu werden - bis auf wenige Ausnahmen.

Heute also kommt Herr Scharping in den Sportausschuss und wird die Sicht des Verbandes darlegen. Über eine nicht stattgefundene Dopingkontrolle bei den Deutschen Mountainbike-Meisterschaften. Glaubt man den Aussagen, die im nächsten Umfeld des Sportausschusses fallen, so sind sich die Politiker aller Parteien einig: der Radsportverband hat es zu weit getrieben und gehört öffentlich abgestraft. Ganz unabhängig davon, ob eine nicht durchgeführte Dopingkontrolle bei Deutschen Meisterschaften zur Sauberkeit einer Sportart beiträgt oder nicht, geht die öffentliche Brandmarkung der Sportart Radfahren am Thema vorbei. Und ohnehin, all jene Profis, Rundfahrten- oder Teammanager, Ärzte und Sportfunktionäre, die für die aktuelle Misere des Radsports verantwortlich sind, trifft das Streichen von Zuschussgeldern überhaupt nicht. Sie alle bekommen über Sponsoren und Medien (auch öffentlich-rechtliche, also doch Steuergelder) genug Geld zusammen, dass ihr System weiter funktioniert.

Vor fünf Jahren schwang ich mich an einem verregneten Herbsttag auf mein Rennrad und machte eine kleine Ausfahrt im Neckartal. Nach einer halben Stunde brauste ein Radler mit gleichmäßigem Tritt geradezu mühelos an mir vorbei. Ich sprintete los und klemmte mich an seinen Hinterreifen. Es war ein sehr junger Kerl, vielleicht 15 Jahre alt. Er fuhr, es war sensationell. An überholen war nicht zu denken. Aus dieser ersten Einheit wurde ein regelmäßiges Treffen zur Ausfahrt auf dem Rennrad. Das junge Talent verwendete viel Zeit für lange Fahrradeinheiten, trainierte fleißig und verzichtete auf viel. Er träumte vom Giro dItalia oder von der Tour de France. Im letzten Winter bekam er seinen ersten Vertrag als Junior. Bei Gerolsteiner. Seine Karriere hatte er noch vor sich. Das glaubte er tatsächlich.

Nun ist es vorbei. Nicht nur mit Gerolsteiner und der Truppe rund um Hans-Michael Holczer, sondern, so wie es aussieht, mit dem Radsport insgesamt und auch mit seiner Karriere. Die paar wenigen Profiverträge, die der Markt in Deutschland noch hergibt, bekommen die unbelehrbaren Profis, die die Misere in den vergangenen zehn Jahren eingebrockt haben. Die jungen Talente, die auf dem Sprung standen, gehen leer aus. Lebensträume platzen. So bitter es ist, vielleicht ist es für diesen jungen Mann gut so. Denn welche Wahl bliebe ihm als Profi?

Die Entscheidung, die der Sportausschuss zu fällen hat, ist nicht einfach. Finanzielle Kürzungen treffen nur die Falschen. Was wir dagegen brauchen, sind Modelle, die Wege aufzeigen, wie Leistungssport auch ohne Doping erfolgreich sein kann. Modelle, bei denen Nachweisverfahren verbessert werden, Ermittlungen in den Hinterzimmern möglich werden. Dazu braucht es öffentliche Gelder. Wahrscheinlich funktioniert das Ganze sogar ohne Verbände und Präsidenten. Vorausgesetzt, wir sind der Meinung, dies ist uns der Sport wert.

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