Anti-Castor-Proteste befeuern AKW-Debatte: Strahlkraft für den Wahlkampf

Die Parteien laufen sich warm für 2009: Die Castor-Blockade hat gezeigt, dass die Atomenergie und die Endlagerfrage spaltbares Material für das Wahljahr liefern.

Schlachtfeld Lüchow-Dannenberg: Wasserwerfer in Laase zum Schutz des Atommüll-Transports Bild: rtr

BERLIN taz Die Kommentare zu den diesjährigen Protesten aus der Bundespolitik klingen schon wie Wahlkampf. "Hier gibt es kein Endlager", jubelte Claudia Roth von den Grünen inmitten der Demonstranten. "Scheinheilig und destruktiv", schimpft Angelika Brunkhorst, Sprecherin für Reaktorsicherheit der FDP-Bundestagsfraktion. Schließlich habe Deutschland die rechtliche Verpflichtung, den Abfall aus Frankreich zurückzuholen. Die CDU sieht das ähnlich. Die Demonstranten würden "auf Kosten des Steuerzahlers ein Mütchen kühlen", ätzte Joachim Pfeiffer, Koordinator für Energiefragen in der CDU/CSU-Fraktion, im Gespräch mit der taz. Und dass sich so viele Demonstranten wie seit Jahren nicht dem Castor in den Weg stellten, lässt Pfeiffer unbeeindruckt. "Das letzte Aufbäumen" der Anti-AKW-Bewegung, sagt er. Denn die Gegner der Kernkraft gerieten bei der Bevölkerung ins Hintertreffen, wie aktuelle Umfragen zeigten. Die SPD ist da ganz anderer Meinung: "Wir freuen uns auf dieses Wahlkampfthema", sagte Frank Schwabe, klimapolitischer Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion. Es gehe schließlich um die Frage, wie die Energiepolitik der Zukunft aussehen solle. Und wenn die CDU diese Debatte wolle, könne sie sie haben.

Wobei darauf hingewiesen werden sollte, dass Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ebenso viel dazu beigetragen hat, das Thema Endlager und Atomwirtschaft zu einem möglichen Wahlkampfthema zu machen. Zwar hat die Unionsfraktion im Sommer ein Papier vorgelegt, in dem sie die Bundesregierung dazu aufforderte, den Weg "für eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland zügig freizumachen", was einem Bruch des Koalitionsvertrages gleichkäme. Aber Gabriel hat durch seine konsequente Nichtfestlegung auf Gorleben und den Stopp der Erkundungen als möglichen Standort für ein atomares Endlager das Thema weiter offengehalten und auch nicht wie im Koalitionsvertrag vereinbart "zügig und ergebnisorientiert" an der Lösung der Endlagerfrage gearbeitet. Dafür kann er nun der Union plattesten Atomlobbyismus vorwerfen.

Hilft ihm dabei die wiedererstarkte Anti-AKW-Bewegung? Die Befürworter von Gorleben lassen sich nicht beeindrucken. Vor allem Demonstranten von "auswärts" hätten für den Zuwachs der Teilnehmerzahlen gesorgt, ist sich Sigfried Bartling, Beisitzer im Fraktionsvorstand der CDU im Kreistag Lüchow-Dannenberg sicher. Er ist seit 40 Jahren Lokalpolitiker und hat die Debatten um Gorleben seit ihrem Beginn in den 70er-Jahren verfolgt. Seine Haltung hat sich durch die Proteste nicht verändert: Gorleben müsse weiter auf seine Tauglichkeit untersucht werden, doch gleichzeitig müsse auch an anderen Stellen nach möglichen Standorten gesucht werden.

Damit weicht er leicht von der Position ab, auf die man sich im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Parteizentrale, festgelegt hat. Das Moratorium in Gorleben muss beendet werden, fordert Pfeiffer. Parallel dazu müsse ein internationales Review des "Projekts Gorleben" eingeleitet werden, das prüft, ob die bisherigen Maßnahmen nach internationalem Stand von Wissenschaft und Technik durchgeführt wurden. "Ein solcher Prozess dauert maximal zwei Jahre", sagt Pfeiffer, der Gorleben trotz der Probleme in der Asse für ein geeignetes Lager hält.

Doch das dürfte mit Gabriel nicht zu machen sein. Schließlich hat er schon dem in seinem Wahlkreis stehenden Schacht Konrad als Lager für schwach strahlenden Atommüll zugestimmt. Und jetzt auch noch Gorleben? Wo die SPD sich doch klar auf Ausstiegskurs befindet? Damit würde er es der CDU zu leicht machen. Und es sich gleichzeitig mit der Anti-AKW-Bewegung verscherzen.

Und vor der scheint dann doch auch die Union Respekt zu haben. "Das Endlagerthema eignet sich nicht für den Wahlkampf", sagt Pfeiffer. Er plädiere für einen "nüchternen und rationalen" Umgang und nicht für emotionale Proteste, die in der Sache gar nichts brächten: "Selbst wenn wir heute alle Atomkraftwerke abschalten würden, müsste der Restmüll irgendwo hin."

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