Freischein für US-Militär: Lizenz zum Angreifen

Ein Geheimbefehl von 2004 erlaubt es dem US-Militär, mutmaßliche Al-Qaida-Stellungen auch in gänzlich friedlichen Ländern zu attackieren.

Das US-Militär darf laut Gesetz al-Qaida überall auf der Welt angreifen. Bild: dpa

Seit 2004 hat das US-Militär rund ein Dutzend geheimer Angriffe auf mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder und Mitglieder anderer militanter Gruppen in Syrien, Pakistan und anderen Ländern durchgeführt. Die Einsätze gehen auf einen von Präsidenten George W. Bush autorisierten Geheimbefehl des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld vom Frühjahr 2004 zurück. Das berichtet die New York Times in ihrer Montagausgabe. Jüngster bekannt gewordener Angriff unter diesem Befehl: der Überfall von US-Einheiten vom Irak aus auf das syrische Dorf al-Sukkarija nahe der syrisch-irakischen Grenze, bei dem Anfang September mehrere Menschen getötet wurden. Die syrische und die irakische Regierung hatten daraufhin die USA aufgefordert, die Souveränität der Staaten zu respektieren.

Mit dem Geheimbefehl seien die Special Operations Forces der US-Streitkräfte bevollmächtigt worden, al-Qaida überall auf der Welt anzugreifen. Das schließt die Autorisierung ein, militärische Gewalt im Territorium von Ländern anzuwenden, die sich nicht im Krieg mit den USA befinden. Ein Beispiel für Angriffe dieser Art sei etwa der Angriff einer Einheit von Navy Seals 2006 auf ein Lager in Pakistan. Laut einem früheren leitenden CIA-Berater, so berichtet die New York Times, habe die CIA von ihrem Hauptquartier in Langley aus die gesamte Operation live auf dem Bildschirm verfolgen können, gefilmt von einer unbemannten Aufklärungsdrohne - ganz so, wie es US-amerikanische KinobesucherInnen derzeit in dem Film "Body of Lies" gezeigt bekommen, der in zehn Tagen in Deutschland anläuft.

In welchen Ländern genau solche Aktionen in den vergangenen vier Jahren durchgeführt wurden, ist nicht bekannt. Der geheime Befehl unter dem Titel "Al Qaida Network Exord" soll allerdings 15 bis 20 Länder herausgehoben benannt haben, darunter neben Syrien und Pakistan auch Somalia, Jemen, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten.

Allerdings: Operationen, mutmaßliche Terroristen auch in Ländern anzugreifen, die den USA weder die Erlaubnis dazu erteilt haben noch auch nur darum gebeten worden wären, waren auch schon vor diesem Befehl gängige Praxis, etwa im November 2002, als die USA per ferngesteuerter Drohne im Jemen ein Auto mit sechs Insassen in die Luft jagten, darunter Kaid Sinian al-Harithi, die mutmaßliche Nummer eins al-Qaidas im Jemen und Drahtzieher des Anschlags auf den US-Zerstörer "Cole" von 2000.

Im Juli 2008 hatte Präsident Bush die allgemeine Erlaubnis für Militäroperationen gegen Terroristen noch ausgeweitet und jene Operationen in pakistanischen Stammesgebieten angeordnet, bei denen dann im September rund 20 mutmaßliche Militante getötet wurden.

Ob der designierte Präsident Barack Obama, wenn er ab dem 20. Januar im Amt ist, an dieser Praxis etwas ändern will, ist unklar. Zwar hat Obama mehrfach betont, unter seiner Regierung würden Menschenrechte und Folterverbot strikt geachtet. Um jedoch Ussama Bin Laden zu fangen, so hat Obama im Wahlkampf immer wieder gesagt, würde er auch offenen oder geheimen Militäraktionen etwa in Pakistan zustimmen, sofern die pakistanische Regierung nicht selbst aktiv würde.

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