Hunderttausende auf der Flucht: Im Kongo droht Völkermord

Die Uno warnt vor einem Völkermord im Osten des Kongo. Eine Million Menschen sind vor den Kämpfen zwischen Armee und Milizen geflohen.

Kind und Soldat in Kibati im Ostkongo. Bild: ap

Die Vereinten Nationen haben vor einem Völkermord im Osten der Demokratischen Republik Kongo gewarnt, wo Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Milizen über eine Million Menschen vertrieben haben. "Die Kriegsparteien im Ostkongo müssen von Handlungen absehen, die Völkermord ermutigen", sagte am Samstag der UN-Sonderbeauftragte für die Prävention von Völkermord, Francis Deng. "Sie und jeder Akteur, der materielle Unterstützung liefert, wird zur Verantwortung gezogen werden."

Deng äußerte sich, nachdem sich ein Regionalgipfel im kenianischen Nairobi am Freitag auf die Möglichkeit der Entsendung regionaler Kampftruppen zum Schutz der Menschen im Ostkongo geeinigt hatte. Zudem beschuldigte der Leiter der UN-Mission im Kongo (Monuc), der Brite Alan Doss, alle Seiten im Kongokrieg, Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung zu begehen. Im Ort Kiwandja, 80 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Goma, seien "Kriegsverbrechen, die wir nicht hinnehmen können", verübt worden. "Wir verurteilen und bedauern das und erinnern die Beteiligten daran, dass das Völkerrecht dazu sehr klar ist."

Kiwandja, ein Vorort der Distrikthauptstadt Rutshuru im Gebiet der Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) unter Tutsi-General Laurent Nkunda, war am Dienstag und Mittwoch voriger Woche Schauplatz schwerer Kämpfe zwischen den Tutsi-Rebellen der CNDP und der Hutu-Miliz Pareco (Kongolesische Widerstandspatrioten) gewesen. Deren Kämpfer hatten den Ort mit rund 35.000 Einwohnern am Dienstag besetzt und waren tags darauf von der CNDP wieder vertrieben worden. Die meisten Bewohner flohen ins sichere Zentrum von Rutshuru. Um Kiwandja komplett unter Kontrolle zu bekommen, befahl die CNDP am Mittwochabend alle noch verbliebenen Bewohner aus ihren Häusern, ging dann nach Augenzeugenberichten von Tür zu Tür und schoss auf die Männer, die sie antraf.

Journalisten und UN-Experten, die am Donnerstag und Freitag Kiwandja besuchten, zählten 26 Leichen an elf Stellen. Hutu-Gruppen sprachen von 186 Toten. Die CNDP wiederum warf den Hutu-Milizen vor, 60 Menschen umgebracht zu haben. "Die Zahl der zivilen Opfer kann nicht abschließend festgestellt werden", sagt die UN-Mission Monuc am Freitag und betonte, beide Seiten hätten Tötungen begangen.

Eine Woche davor hatten Regierungstruppen in der Provinzhauptstadt Goma 30 bis 40 Zivilisten umgebracht und erhebliche Plünderungen begangen, und Tutsi fühlen sich in Goma längst nicht mehr sicher. Am Freitag erschossen marodierende Regierungssoldaten in Goma einen UN-Soldaten aus Senegal. Dass der Krieg in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu sich als ethnischer Krieg äußert, ist nichts Neues. Seit 1993 gibt es in der Provinz Kämpfe zwischen bewaffneten Gruppen der Hutu, Tutsi und Nande-Völker. Eine der wichtigsten bewaffneten Gruppen auf Regierungsseite sind ruandische Hutu-Milizen, die die Ausrottung der Tutsi predigen.

Das dient der CNDP als Argument dafür, warum die Tutsi und darüber hinaus alle Gegner einer ethnisierten Politik im Kongo zu den Waffen greifen müssten. Die Notwendigkeit für die Menschen im Ostkongo, sich zum Selbstschutz unter die Kontrolle der bewaffneten Gruppen der eigenen Ethnie oder in die großen Städte zu begeben, ist Hauptgrund dafür, warum 1,2 Millionen der fünf Millionen Einwohner Nord-Kivus auf der Flucht sind. Wie leicht Konfrontationen zwischen Hutu- und Tutsi-Armeen zu großen Massakern bis zum Völkermord führen können, wissen sie aus den Nachbarländern Ruanda und Burundi.

Die Kämpfe zwischen CNDP und Regierung erreichten am Wochenende neue Kriegsfronten westlich von Goma. Nördlich von Goma verstärkten beide Seiten ihre Stellungen.

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