Freiwillige Überprüfung: Tagesmutter mit Zertifikat

Im Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf wurde erstmals ein Institut mit der Zertifizierung von Tagesmüttern beauftragt. Zertifiziert wird, wie das Berliner Bildungsprogramm umgesetzt wird.

In Berlin ist die Qualitätszertifizierung der Tagesmütter noch freiwillig. Bild: dpa

BERLIN taz Nachmittags um vier, wenn das letzte Kind abgeholt wird, fängt Sylvia Hermans an aufzuräumen. Dann hat sie seit morgens um acht fünf Kinder, alle um ein Jahr alt, betreut, gefüttert, gewickelt, getragen und getröstet. Seit 17 Jahren tummeln sich jetzt schon täglich Kleinkinder im gesamten Erdgeschoss ihres Reihenhauses und in ihrem Garten. Sie kann also mit Fug und Recht behaupten, ein richtiger Profi in Sachen Tagespflege zu sein. Sie weiß, was die Kinder brauchen, um sich wohl zu fühlen und wie sie lernen, womit sie gerne spielen und welche Bücher ihnen gefallen.

Sylvia Hermans ist eine von 17 Tagespflegestellen, die am 7. November mit einem Zertifikat für herausragende Qualität in der Tagespflege ausgezeichnet werden. Eine Auszeichnung, die Hermans mit gemischten Gefühlen entgegen nimmt. Einerseits freut es sie, wenn in ihrem Beruf Qualitätsstandards gesetzt werden, andererseits können Menschen, die einmal angekündigt vorbeikommen und sie ein paar Stunden bei der Arbeit beobachten, noch kein Urteil über ihre Arbeit fällen.

Ihr wurde gesagt, dass die Spielzeugkisten und Schubladen mit Symbolen gekennzeichnet werden sollen, an denen die Kinder den Inhalt erkennen können und ihre Bücher thematisch sortiert werden und multikulturellen Inhalts sein sollen. Gesagt, getan. Aber Bücher anschaffen und sortieren kann jeder - ob und wie sie mit den Kindern angeguckt werden, ist letztendlich entscheidender.

Über Tagesmütter wurde in den letzten Wochen plötzlich sehr viel berichtet. Dass sich ihre Zahl in Deutschland in den nächsten Jahren auf rund 60.000 verdoppeln soll, dass deshalb 65 Millionen Euro in ein "Aktionsprogramm Kindertagespflege" fließen sollen, damit sich mehr Menschen für die Arbeit als Tagesmutter entscheiden und dafür einheitlich und besser ausgebildet werden können. Und gleichzeitig, dass viele Tagesmütter überlegen, ihren Beruf aufzugeben, weil sie ab 2009 ihre Einkünfte versteuern und Sozialabgaben leisten müssen, wenn sie mehr als 355 Euro im Monat verdienen. Und dass eine Tagesmutter ein Kind in ihrer Obhut totgeschüttelt hat, weil sie von dessen Schreien überfordert war - was wiederum ein Licht darauf warf, dass Tagesmütter bisher abgesehen von ein paar Schulungsstunden keine Kleinkindpädagogische Ausbildung haben, sondern meistens nur die Erfahrung mit den eigenen Kindern mit in den Beruf bringen. Ein Berufsbild im Umbruch und Nährboden für den Ruf nach ausgewiesener Qualität, die verunsicherten Eltern bei der Suche nach der "besten" Tagesmutter behilflich sein kann, denn bis die angekündigte einheitliche Grundqualifikation eingeführt ist, können die Kleinkindeltern von heute nicht warten.

Kein Wunder also, dass das Jugendamt des gediegenen Bezirks Steglitz-Zehlendorf sich entschlossen hat, die Qualität der pädagogischen Arbeit seiner Tagesmütter überprüfen zu lassen. Allerdings nicht selbst, sondern von dem "Institut für International Quality System for Education and Child Care". Gegründet wurde dieses Institut von zwei Pädagoginnen, Daena Schlecht und der Professorin Charis Förster. Der Quälitätscheck wurde nur bei Tagesmüttern durchgeführt, die sich dazu freiwillig bereit erklärten.

Der Zertifizierung voran ging in diesem Fall ein einjähriger Qualitätsentwicklungskurs, der vom Jugendamt finanziert wurde. „In diesem Kurs habe ich die Tagesmütter in die Qualitätsstandards eingeführt und zur Zertifizierung vorbereitet“, so Daena Schlecht, die es als ihre Aufgabe definiert, zu zertifizieren, “ob und in welchem Umfang die Bildungspläne in Tagespflegestellen umgesetzt werden.“

Ihrer Bewertung zugrunde liegen 65 Bildungskriterien. „Sie liefern den Tagesmüttern oder anderen Interessierten - das können auch Eltern sein - eine schnelle, gut zu überblickende Information, welche Qualitätskriterien wichtig sind und wie man diese umsetzen kann.“

Für die ersten 17 Tagespflegestellen übernimmt das Amt auch noch die Kosten für das Zertifikat - immerhin 800 Euro, die die Tagesmütter für ihre Prüfung demnächst selbst aufbringen müssen, so sie denn Wert drauf legen, ausgezeichnet zu werden.

Ob sich das Zertifikat durchsetzen wird, ist allerdings noch fraglich. Denn es bleibt die Frage, was dieses Zertifikat eigentlich beweisen kann. „Würde man bei den Tagesmüttern häufiger mal unangemeldet vorbeikommen, würde sich sicherlich ein realistischeres Bild abzeichnen“, meint Hermans. "Und letztendlich würde eine vernünftige Ausbildung für Tagesmütter solche Zertifikate überflüssig machen".

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