„Im Herzen machen wir Punk“

TEXTE AN MUSIK Nach mehr als zweijähriger Pause gibt die Schriftsteller-Combo Fön ein Konzert im Grünen Salon. Ein Gespräch über die Komik der alltäglichen Dinge, Reinhard Mey und Schweinebraten an Rosenkohl

Das ist Fön: Florian Werner, geboren 1971, hat zuletzt das Sachbuch „Die Kuh: Leben, Werk und Wirkung“ veröffentlicht. Tilmann Rammstedt, geboren 1975, hat u. a. den Roman „Der Kaiser von China“ geschrieben. Michael Ebmeyer, geboren 1973, hat zuletzt den Roman „Der Neuling“ publiziert, und Bruno Franceschini, geboren 1975, macht auch solo Musik, etwa die CD „Du kannst das alles haben“ (v. l. n. r.) Foto: Marina Kezika

INTERVIEW WIEBKE POROMBKA

Bruno Franceschini: Kommen Sie gerade aus dem Urlaub?

taz: Nee, ich glüh nur ein bisschen, weil es so aufregend ist, eine echte Band zu interviewen. Wer ist eigentlich der Bandleader, wem stell ich die Fragen?

Michael Ebmeyer: Am besten uns allen. Fön funktioniert nur, wenn jeder von uns der Chef ist.

Schön, dass Sie das endlich mal wieder in Berlin zeigen. Das letzte Konzert hier liegt ja mehr als zwei Jahre zurück.

Bruno Franceschini: Wir sind so unendlich faul. Der Grüne Salon war geschlossen, und wir haben es nicht geschafft, einen anderen Veranstalter anzurufen.

Das hätte ich doch für Sie machen können.

Florian Werner: Mal ernsthaft. Es ist einfach sehr viel passiert in den vergangenen beiden Jahren. Wir haben alle intensiv an unseren Soloprojekten gearbeitet. Bruno hat Theatermusiken komponiert, in Deutschland und in Italien. Wir anderen haben Bücher geschrieben. Michael „Der Neuling“, Tilman „Der Kaiser von China“, ich „Die Kuh“. Da war keine Zeit für neue Songs.

Michael Ebmeyer: Und ohne die wollten wir unserm Berliner Publikum nicht unter die Augen treten.

Sind Sie Schriftsteller, die irgendwann eine Band gegründet haben? Oder Sind Sie eine Band, deren Mitglieder mit dem Schreiben begonnen haben?

Florian Werner: Als Fön 2001 gegründet wurde, waren drei von uns Schriftsteller. Fön war da eine ideale Spielwiese, um andere Formen der Textpräsentation auszuprobieren.

Michael Ebmeyer: Gleichzeitig natürlich auch ein schöner Ausgleich zum einsamen Arbeiten am Schreibtisch.

„Texte an Musik“, so beschreiben Sie selbst, was Sie bei Fön machen.

Florian Werner: Genau. So wie Schweinebraten an Brechböhnchen.

Bruno Franceschini: Oder Rosenkohl.

Florian Werner: Ja, Schweinebraten an Rosenkohl. Das ist eine Beschreibung, die von Anfang an da war, und irgendwie ist uns auch nie eine treffendere eingefallen. Am Anfang stehen bei uns die Texte, mehr als bei einer klassischen Popband. Aber ganz wichtig war immer, dass es nicht nur darum geht, eine Lesung mit Musik zu untermalen, dem Text also etwas hinzuzufügen, was er eigentlich gar nicht braucht. Beide Komponenten, Text und Musik, müssen zusammenkommen und sich ergänzen.

Hängt das mit Ihrer Lesebühnen-Vergangenheit zusammen?

Florian Werner: Eigentlich nicht. Es gab zwar die Lesebühne visch & ferse, bei der wir auch alle mitgemacht haben, die wurde aber eher parallel zu Fön gegründet. Natürlich haben wir Stücke, die man auf einer Lesebühne spielen könnte. Aber wir treten eben nicht hintereinander auf, wir machen das zusammen, ein Fön-Abend hat eine Dramaturgie und hoffentlich auch eine andere Dringlichkeit.

Wie muss so ein Song sein, damit er ein Fön-Song wird?

Michael Ebmeyer: Es gibt schon so etwas wie einen Fön-Tonfall oder mehrere Fön-Tonfälle, einfach eine bestimmte Art, die Welt zu sehen. Der Alltag spielt eine große Rolle, vor allem aber der Wille, die Dinge anders zu sehen, als sie einem normalerweise vorgekaut werden. Um die Komik dieser Dinge geht es, aber eben nicht um ihre Lächerlichkeit.

Sprachwitz ist ein Stichwort, das im Zusammenhang mit Fön immer wieder fällt.

Michael Ebmeyer: Beim ersten Hören sind unsere Texte hoffentlich vor allem witzig. Aber wir verstehen sie schon wirklich als Literatur. Es soll sich auch lohnen, sie öfter zu hören.

Florian Werner: Manche habe ich erst verstanden, nachdem wir sie 20-mal gespielt haben.

Und die Musik? Irgendwas zwischen humorvollem, melancholischem Chanson und akustischem Pop?

Bruno Franceschini: Das trifft es ganz gut. Wobei: Im Herzen, im Herzen machen wir Punk.

Warum der Name Fön?

Bruno Franceschini: Bandnamen sind ja was total Existenzielles, die entscheiden über Karrieren. Viele sind schon daran gescheitert. Die Beatles zum Beispiel, da war nach neun Jahren einfach die Luft raus. Uns gibt es auch schon fast neun Jahre – und wir planen gerade ein neues Album.

„Ein Seepferdchen hat nicht von ungefähr die Form eines Violinschlüssels“

FLORIAN WERNER

Erzählen Sie doch mal ein bisschen was über das neue Fön-Programm.

Bruno Franceschini: Es ist sehr tanzbar. Ein Stück zum Beispiel handelt von Seepferdchen. Von der Einsamkeit der Seepferdchen.

Mehr wird nicht verraten?

Florian Werner: Ein Seepferdchen hat ja nicht von Ungefähr die Form eines Violinschlüssels und zugleich die eines Fragezeichens.

Bruno Franceschini: In einem anderen Lied wird es um eine Nachbarin gehen. Alle Nachbarinnen Berlins werden sich darin wiedererkennen. Und in einem Song geht es um Reinhard Mey.

Ist der nicht irgendwie seltsam?

Michael Ebmeyer: Der ist halt Sozialdemokrat. Aber Florian ist mal als Playback-Bratscher mit ihm bei „Wetten, dass …?“ aufgetreten.

Florian Werner: Ja, das ist ein dufter Typ.

Michael Ebmeyer: Vielleicht kommt er zum Konzert. Er wohnt ja in Frohnau.

Bruno Franceschini: Das wäre ja großartig.

■ „Wir können einpacken“: Fön im Grünen Salon, 19. Dezember, 20 Uhr Zwei CDs gibt es bisher: „Wir haben Zeit“ (2004) und „Ein bisschen plötzlich“ (2007)