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Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters & Der Fischmarkt und die Fische Deutschland 1966 & 1968, R: Hubert Fichte & Leonore Mau

Beim heutigen Kinoabend im Golem unter dem Titel „Die Fische heißen ...“ gibt es zwei schöne Fotofilme des Schriftstellers Hubert Fichte und der Fotografin Leonore Mau zu sehen. Die fein beobachtende, empathische Sprache von Fichte und die ebensolchen Fotografien von Mau ergänzen sich wunderbar. Gleichwohl laufen die beiden Ebenen, der gesprochene Text und die abgefilmten Schwarzweißfotos, obwohl oft stimmig parallelisiert, auch momentelang gegeneinander, im gegenläufigen Rhythmus. Ton- und Bildspur sind gleichberechtigt, nichthierarchisch ergänzen sich Text und Fotos, verschieben sich ineinander.

„Der Tag eines unständigen Hafenarbeiters“ schildert den Tagesablauf eines täglich neu Arbeit suchenden Packers. Jeden Morgen um sechs geht’s zur Admi, wo die Schichten für den Hafenumschlag vergeben werden. Er ist kein fester Brummer. Die Unständigen bekommen Schichten, wenn keine Festen mehr frei sind. Prekär. Und schwer. Stückgut löschen, schwere Säcke stapeln. Unten in der Ladeluke, im Staub. Fichtes Text ist angenehm unprätentiös, kein Mittelklassegeschwafel. Er greift die Sprache der Hafenarbeiter auf, die genauso klar strukturiert ist wie die Schwarzweißfotos. Dreimal unterbrechen Sequenzen bewegter Filmbilder die Fotofolge: Fußball, Bierwerbung, die Treppe zum Starclub rein.

„Der Fischmarkt und die Fische“ beginnt am Hafen des portugiesischen Fischerdorfes Sesimbra. Im Mittelpunkt des Filmes geht es um die Arbeit der Fischer, das Netzeflicken, nachts rausfahren, per Radar Schwärme suchen, Netze auswerfen, einholen. Die Fotos von Mau sind ebenso wie der Text von Fichte noch eine Spur poetischer als im vorigen Film. Fichte beschreibt nüchtern die Armut der Fischerfamilien. Und endet mit der schönsten Aufzählung von Fischnamen, die ich kenne. Selbstredend in weichem Portugiesisch.

Franziska Mecklenburg lädt nach der Vorführung zu einem anschließenden Gespräch mit Ole Frahm. Frahm hat über die Fotofilme von Fichte & Mau publiziert. Fotofilme sind keine Vorstufe zu Bewegtbildern. Sondern anders. Anders zu erspüren. Bild, Text und Film sind nicht redundant, sondern im Dialog miteinander. Was entsteht zwischen den Bildern, in den Textpausen? Assoziativ kann sich mit den ProtagonistInnen, ihrem Leben auseinandergesetzt werden. Überhaupt Alltag. An ihm setzen die beiden Filme an, zeigen Arbeitswerkzeug, schildern die soziale Lebensrealität, die Arbeitsbedingungen, die geringe Bezahlung. Poetische, engagierte Ethnografie. Ein Antidot zu dem üblichen touristischen, elitären wie exotisierenden Mittelklassenblick herab auf Proletarische, Randständige wie die Fischer in Portugal, unständige Hafenarbeiter in Hamburg.  GASTON KIRSCHE Do, 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14