GAL Hamburg hält Wahlzusage nicht ein: Grünes Licht für Steinkohle

Hamburgs Umweltsenatorin Anja Hajduk muss das Kohlekraftwerk Moorburg mit Auflagen genehmigen. Scheitert daran Schwarz-Grün?

Von wegen: Das Steinkohlkraftwerk kann nicht mehr verhindert werden. Bild: ap

HAMBURG taz Das bestgehütete Geheimnis der Hamburger Politik wird am Dienstag um 17 Uhr gelüftet. Denn heute wird Umweltsenatorin Anja Hajduk eingestehen, dass Grüne in einer Regierung den Bau eines Steinkohlekraftwerks nicht verhindern können.

Zwar schweigen alle Beteiligten in Hamburgs schwarz-grünem Senat zu dem heiklen Thema, das der Koalitionsausschuss in der Nacht beraten hat, doch nach taz-Informationen ist die Linie klar: Hajduk wird dem Energiekonzern Vattenfall die Genehmigung ausstellen, im Stadtteil Moorburg an der Süderelbe das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands zu errichten. Es wird mit einer Leistung von 1.640 Megawatt gebaut, zudem soll es mit 650 Megawatt mehrere Hamburger Stadtteile mit Fernwärme versorgen.

Die Grünen wollten den Klimakiller unbedingt verhindern. Nun muss Hajduk nach nur fünf Monaten im Amt zugeben, ein zentrales Versprechen der Grün-Alternativen Liste (GAL) aus dem Wahlkampf nicht halten zu können. Der Energieversorger baut seit zehn Monaten mit einer vorläufigen Genehmigung an dem Kraftwerk. Sein Rechtsanspruch auf das endgültige Okay ist politisch nicht aus der Welt zu schaffen - obwohl Hajduks Behörde dies intensiv geprüft hatte.

Deshalb wird die ehemalige Bundestagsabgeordnete, die sich in sechs Jahren als Parteichefin hohe Reputation unter Hamburgs Grünen erworben hat, zwei Stunden später um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen müssen. Auf einem parteiinternen Infoabend wird sich Hajduk der Basis stellen. Als sicher gilt, dass über Moorburg am Donnerstag kommender Woche auf einem Sonderparteitag debattiert werden wird. Dann werden die Mitglieder über einen Antrag entscheiden, die Koalition mit der CDU platzen zu lassen. Den Ausgang wagt niemand zu prophezeien.

Der Kritik stellen müssen sich auch Schulsenatorin Christa Goetsch, die sich als Spitzenkandidatin im Wahlkampf auf die Aussage "Mit uns wird keine Erlaubnis für das Kraftwerk erteilt werden" festlegte, sowie der Exfraktionsvize und jetzige Umweltstaatsrat Christian Maaß. Der Verwaltungsjurist habe die Chancen, Moorburg zu verhindern, zu rosig ausgemalt, so der Verdacht mancher Grüner.

Die Entscheidung sieht einige Abstriche an den alten Plänen vor. Als Folge wird Moorburg pro Jahr deutlich weniger als die zunächst berechneten gut 8 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Wegen dieser Menge, die dem Anteil des Straßenverkehrs in Hamburg entspricht, hatten die Grünen das Kraftwerk jahrelang als "Klimakiller und "Dreckschleuder" bekämpft.

Vattenfall hat signalisiert, zu einer Leistungsreduzierung um etwa ein Drittel bereit zu sein, um die Emissionen auf die Größenordnung eines - von der GAL bevorzugten - Gaskraftwerks zu begrenzen. Zudem wird in der Genehmigung vorgeschrieben werden, dass das aus der Elbe stammende Kühlwasser nur bis zu einer Höchsttemperatur von 27 oder 28 Grad wieder eingeleitet werden darf. Die von Vattenfall beantragten 30 Grad hatten Umweltschützer als schädlich für Fische kritisiert. Die Folge dürfte sein, dass Vattenfall in heißen Sommern sein Kraftwerk häufiger abschalten muss.

Zudem wird Hajduk ihre Basis mit dem Argument zu befriedigen versuchen, dass der Gesamtausstoß von Kohlendioxid in Hamburg trotz Kraftwerk wie geplant gesenkt werde. Vereinbart ist im Koalitionsvertrag eine Reduzierung um 40 Prozent bis 2020. Moorburg aber würde mit voller Leistung die Jahresmenge um fast 40 Prozent erhöhen, bei gedrosselter Leistung um etwa 25 Prozent. Mithin muss Hajduk ein Klimaschutzprogramm vorlegen, mit dem 65 bis 80 Prozent der aktuellen CO2-Emissionen vermieden werden können. Ein ambitioniertes Vorhaben.

Die Stimmung bei den Grünen ist entsprechend gedrückt. Hajduks Nachfolgerin im Parteivorsitz, Katharina Fegebank, antwortet auf die Frage nach dem Weiterbestand von Schwarz-Grün: "Nächste Frage bitte." Und SPD-Fraktionschef Michael Neumann erinnert daran, dass Rot-Grün-Rot auch eine Mehrheit im Landesparlament hätte: "Wir sind gesprächsbereit."

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