Umjubelte Rede im Hofbräukeller: Münteferings Comeback

Der einstige Parteichef tritt zum ersten Mal seit neun Monaten wieder auf - im bayrischen Wahlkampf. Münte begeistert die Sozis. Spitzenkandidat Maget wurde da zur Nebensache.

Münte ist zurück. Aber was wollte der Mann neben ihm auf der Veranstaltung? Bild: dpa

BERLIN taz Münteferings Hemd hat sich von hell- in dunkelblau verfärbt, vor lauter Anstrengung. Seine Stirn glänzt. Jemand will Franz Müntefering helfen, reicht ihm ein Handtuch. Aber Müntefering murmelt nur: "Lass mal. Ich schwitze, das dürfen alle Leute sehen." Das hat Müntefering seiner Partei also auch mitgebracht: eine ordentlich Portion vom guten alten Gerd-Schröder-Mackertum. Bei Schröder musste eine Wahlkampfrede ja auch zu erst einmal aussehen wie harte Arbeit, echter Männerschweiß inklusive.

Müntefering feierte am Mittwochabend im Münchner Hofbräukeller sein öffentliches Comeback. Vor neun Monaten hatte der damalige Bundesarbeitsminister und Vizekanzler alle politischen Ämter außer seinem Bundestagsmandat abgegeben. Er wollte nur noch für seine krebskranke Frau da sein, bis zu ihrem Tod Ende Juli.

Die SPD hat das schwer getroffen. Denn Müntefering war neben seinen Ämtern auch immer so etwas wie das Herz der Partei – die Integrationsfigur, mit denen alle Flügel halbwegs leben konnten, die Hartz-IV-Gläubigen wie die Mindestlohn-Verfechter.

Offiziell sollte nun Münteferings erster öffentlicher Auftritt seit der Auszeit einzig einem Zweck dienen: der Unterstützung der Bayern-SPD im schwierigen Landtagswahlkampf. Es wurde aber etwas anderes aus dem Abend: Münteferings Versuch, die SPD wieder auf Kurs zu bringen. Die Landtagswahl geriet da in den Hintergrund.

Als Müntefering zusammen mit dem Spitzenkandidaten der bayerischen SPD, Franz Maget, den überfüllten Saal betritt, und sich an vierhundert jubelnden SPD-Anhängern und über hundert Journalisten vorbeischiebt, lächelt er steif. Die vergangenen Monate haben sein Gesicht älter werden lassen.

Maget hält auf der Bühne eine Rede, die Fotographen und Kameraleute drängen sich alle um Müntefering. Der schreibt Autogramme. Der Andrang der Besucher ist so groß, dass die Rede des einstigen Parteichefs in einen zweiten Saal per Video übertragen werden muss.

"Die CSU ist satt. Das ist schlecht für Bayern", sagt Müntefering, als er dann am Rednerpult steht. Zum CSU-Führungsduo Erwin Huber und Günter Beckstein meint er nur schroff: "Was sind das für Waschlappen!" und fordert seine Genossen auf: "Wir Sozialdemokraten müssen den Konservativen immer wieder zeigen, was Liberalität und Fortschritt bedeuten."

Die SPD müsse sich aber nicht nur gegen die "rechten Konservativen", die CSU und CDU stellen, so Müntefering, sondern auch gegen die "linken Konservativen, die den Himmel auf Erden versprechen". Gemeint ist die Linkspartei.

Deren Ziele seien mit der Sozialdemokratie nicht vereinbar. "Wir wollen soziale Gerechtigkeit auf hohem Niveau. Die Wirtschaft muss schwarze Zahlen schreiben", sagt Müntefering. "Der Sozialpolitiker, der sich nicht Gedanken macht, wo der Kuchen herkommt, der verteilt werden soll, der ist ein schlechter Sozialpolitiker."

Müntefering redet an diesem Abend viel von "Gerechtigkeit", aber noch mehr von "Fortschritt". Er zieht große Linien von Willy Brandt über Helmut Schmidt zu Gerhard Schröder.

Und er bekennt sich zu den viel kritisierten Sozialreformen, die er unter Schröder selbst mitgetragen hat: "Wir haben mit der Agenda 2010 dazu beigetragen, dass die Arbeitslosigkeit gesunken ist. Wer das verschweigt, der irrt sich", ruft Müntefering den Genossen zu. "Ich sage nicht, dass alles, was wir gemacht haben, gut war. Aber wir dürfen uns deshalb nicht genieren."

Das Bild, dass Münterfering in seiner Rede von der Sozialdemokratie zeichnet, liegt deutlich näher an der Radikalreform- und "Basta"-Linie der späten Schröder-Jahre als am aktuellen Wohlfühl-Kurs unter Kurt Beck. Aber die SPDler in München jubeln dem Redner zu. Sie sind begeistert vom Selbstbewusstsein, das er verströmt, vom Wir-Gefühl. Sie wollen wieder stolz sein auf ihre Partei.

Und Müntefering meint: "Wenn einer sein Kreuz bei der SPD machen will, weil er Schröder gut fand, dann sagt dem nicht: ‚Du musst erst das Hamburger Programm unterschreiben’." Das war indirekt dann schon eine recht deutliche Kampfansage an Kurt Beck und den linken Parteiflügel.

Welche Rolle Franz Müntefering – über seinen denkwürdigen Auftritt in München hinaus – in nächster Zeit in der SPD spielen will, darüber sagte er allerdings nichts. Bekannt ist allein, dass Müntefering sein Bundestagsmandat nun wieder voll wahrnehmen will.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.