die wahrheit: Schwabinger Krawall

Der Durchbruch

Als Herr Reithofer am Samstagabend mit einem verblüfften Ausruf in die Wohnung seines Nachbarn Kiermeier kippt und seine Klappleiter sowie ein paar Teilstücke der Mauer mitbringt, ist es eigentlich schon zu spät. Das gehe zu weit, sagt Herr Kiermeier den Polizeibeamten. Er verlange sofortige Wiedererrichtung der Trennwand.

Sie habe alles versucht, sagt Frau Reithofer, aber ihr Mann habe sich in den Kopf gesetzt, dem hinterfotzigen und ausgeschämten Handwerkerpack kein Geld mehr in den Rachen zu werfen, sondern selbst tätig zu werden. Erst war die alte Badewanne nicht mehr gut, dann habe die neue, ein Sonderangebot vom Baumarkt, nicht ins Bad hineingepasst, woraufhin er den Rand so lange gedengelt habe, bis die Emaille abbröselte; jetzt müsse sie in dem Rostwasser baden, weil eine weitere Neuwanne nicht erschwinglich sei.

Dann musste der Gasherd raus, weil man das heute elektrisch hat; die ersten drei Ceranplatten habe die Versicherung bezahlt, wenn auch unter Murren und der Auflage, künftig das Küchenfenster geschlossen zu halten, wenn draußen angeblich die Lausbuben mit Steinen werfen. Jetzt sei die vierte Ceranplatte auch hin, weil ihr Mann für das Regal über dem Herd die falschen Dübel erwischt habe.

Ganz zu schweigen von der Latexfarbe im Bad, die sie ihm acht Tage lang von Kopf und Rücken geschrubbt habe, und der Wasserleitung, die Opfer eines Bohrmaschinenunglücks geworden sei, weshalb bei Frau Rott im zweiten Stock nun die Schwammerl an der Decke wüchsen.

Zudem habe die Hausverwaltung mehrmals angemahnt, dass die Benützung von Kreissäge und Bandschleifmaschine nach null Uhr nicht mit der Hausordnung zu vereinbaren sei; aber ihr Mann habe gesagt, die könnten ihm den Buckel hinunterrutschen, schließlich wolle er eines Tages in einer gemütlichen Wohnung wohnen.

Aber jetzt mit der Steckdose, die er in Kopfhöhe ins Wandwerk versenkt anbringen habe wollen, damit sie jedes Mal auf einen Stuhl steigen müsse, um ihr Bügeleisen anzustecken, weil das irgendwie sicherer sei, das sei der Höhepunkt. Sie wisse nicht mehr ein noch aus vor Sorge, dass sich ihr Mann in die Luft sprengen könnte und das Haus gleich mit.

Die Polizisten erklären sich über die Ruhestörung hinaus für unzuständig, nehmen Herrn Reithofer aber das Versprechen ab, die Wand umgehend wieder aufzubauen und in Zukunft seine Erneuerungsbemühungen gemeinverträglicher zu gestalten, woraufhin dieser versichert, er wolle bloß noch die Fenster austauschen, die marode seien und nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen, weil man heute keine primitiven Riegel und Vorreiber mehr habe, sondern praktische, ins Innere des Plastikrahmens versenkte Kardanübersetzungskupplungen. Hinzu kämen höchstens noch die Kellerwände, auf die dringend ein Verriegelungsputz müsse, wofür ein geschickter Mensch keinen Maurer brauche, weil das Zeug nur angerührt …

Weiter kommt er nicht. Die Polizisten schützen einen dringenden Banküberfall vor, und Herr Kiermeier hat sich wie Frau Reithofer mit gesträubten Haaren in die jeweilige Küche zurückgezogen, um dort einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.