Download über Google in China: Plattenindustrie verschenkt Musik

Die meisten Nutzer in China laden sich ihre Musik illegal aus dem Netz. Google startet deshalb dort eine kostenlose Songsuche - lizensiert von der Plattenindustrie, finanziert aus Werbung.

Erwischen zwecklos. Beim Download von Musik aus dem Netz gibt es in China nur selten Strafen. Bild: dpa

Wenn chinesische Internet-Nutzer im Netz nach Musik stöbern, gehen sie ganz einfach vor: Sie geben den gewünschten Titel in eine Suchmaschine ein und klicken auf einen der vielen Links irgendwo ins Web, die erscheinen. Denn: Irgendein anderer freundlicher User wird den gewünschten landestypischen Tophit garantiert (und natürlich völlig illegal) bereits ins Netz gestellt haben – ganz ohne Tauschbörsen. Hohe Strafen drohen den Nutzern dafür nicht.

90 Prozent der Nutzer in China besorgen sich laut Analysen der Industrie so ihre Musik. Kostenpflichtige Download-Läden (wie iTunes in Europa) sind nahezu unbekannt. Auch wer versucht, Songs zu Dumpingpreisen von drei Cent zu verkaufen, kommt gegen die leicht zugängliche Kopierware nicht an.

Der Internet-Konzern Google, der in China derzeit in der Nutzergunst noch hinter lokalen Rivalen wie Baidu oder Sina liegt, will das Problem nun auf seine Weise lösen: Er hat eine eigene Musiksuchmaschine aufgebaut, deren Inhalte ebenfalls kostenlos sind, dabei aber von den Musikkonzernen lizensiert wurden.

Das Geld soll dabei so verdient werden, wie es Google im Internet am besten versteht: Mit Online-Reklame. Die Bedienung ist so einfach wie bei allen anderen Suchmaschinen, die auf Piratensongs verlinken: Man gibt Sänger, Titel oder Album ein und kann sich dann entsprechendes Material legal auf seinen Rechner laden.

Google hat für das Projekt laut einem Bericht des Wall Street Journal über Monate mit der Musikindustrie verhandelt. Die soll nun zusammen mit Google und dessen chinesischem Partner Top100.cn von den Werbeerlösen profitieren. Mit im Boot sind auch große westliche Namen wie EMI Music und Universal. Hinzu kommen mehrere Dutzend weitere chinesische und internationale Plattenfirmen, denen auf diese Art nun eine Möglichkeit gegeben werden soll, "erstmals mit digitaler Musik in China Geld zu verdienen", wie Google hofft.

Die Prämisse dabei ist einfach: Besser kostenlos und werbefinanziert als vollständig raubkopiert. Derzeit gehen der Musikindustrie nach eigenen Schätzungen jährlich mehrere hundert Millionen Dollar im chinesischen Markt verloren - eine Summe, die mit dem wirtschaftlichen Wachstum in dem Land schnell weiter wachsen dürfte.

Die neue Musiksuchmaschine wird exklusiv im chinesischen Markt zur Verfügung stehen. Nutzer aus anderen Ländern werden über das so genannte "Geotargeting", das sich an der Herkunfts-Internetadresse orientiert, an der Benutzung gehindert. So soll sichergestellt werden, dass in anderen Ländern gut funktionierende Bezahldienste wie iTunes oder Amazon MP3 keinen neuen Gratis-Konkurrenten erhalten. Auch Googles Lizenzrechte gelten allein für China.

Der Internet-Konzern will die angebotenen Songs außerdem mit elektronischen Wasserzeichen versehen, um die Verbreitung zu Werbe-, Statistik- und Anti-Piraterie-Zwecken kontrollieren zu können. Das angebotene Gratis-Material soll in hoher Qualität zum Download vorliegen. Auch das wäre ein weltweites Novum.

Erste Formen ähnlicher Werbegeschäftsmodelle haben sich in den letzten Monaten zwar auch in den westlichen Ländern etabliert. Doch sind diese deutlich weniger radikal als Googles China-Pläne. So kann man auf dem Portal Last.fm seit diesem Jahr einen großen Musikkatalog online durchhören - das wird allerdings pro Song nur wenige Male erlaubt. Ein Download ist nicht möglich.

Zudem muss während des Hörens eine Internet-Verbindung bestehen, die Titel werden radiomäßig "gestreamt", also häppchenweise durch die Leitung gesendet. Auch Last.fm teilt sich die Werbeeinnahmen mit der Musikindustrie.

Ein weiteres neuartiges Vertriebskonzept nutzt der Handy-Konzern Nokia in Verbindung mit mehreren Musikfirmen: Hier wird ein Mobiltelefon zusammen mit einem großen Songkatalog verkauft, auf den die Nutzer beliebig zugreifen können. Dazu zahlen sie allerdings ein kleines Extra auf den Handy-Preis, das je nach Vertriebsvariante auch von Nokia übernommen werden kann.

Das Experimentieren mit solchen und ähnlichen Geschäftsmodellen dürfte noch eine ganze Weile weitergehen, glauben Marktbeobachter. Noch sei es der Musikindustrie nicht gelungen, die Rückgänge bei den CD-Verkäufern über das Internet auszugleichen.

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