Debatte über Parteiausschluss: Clements Herbst

Die SPD-Spitze will "Brücken bauen, damit Wolfgang Clement" Genosse bleiben kann. Doch der Ex-Vize bleibt stur.

Will nicht selbstkritisch sein: Wolfgang Clement. Bild: reuters

BERLIN taz Der SPD-Generalsekretär versuchte es am Montag mit Philosophie. Nicht nur, dass Hubertus Heil das Fehlverhalten des früheren Wirtschaftsministers Wolfgang Clement mit der Populärversion von Immanuel Kants kategorischem Imperativ einzuordnen versuchte: "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu." Er bediente sich zudem des Soziologen Max Weber, der "Leidenschaft und Augenmaß" zu den notwendigen Eigenschaften des modernen Berufspolitikers erklärt hatte: "Da war in den letzten Tagen viel Leidenschaft im Spiel. Jetzt wird vor allem Augenmaß erwartet."

Um diesem Augenmaß in der Debatte über einen möglichen Parteiausschluss Clements zum Durchbruch zu verhelfen, hat der SPD-Parteivorstand in einer Telefonkonferenz einstimmig seinen Beitritt zu dem Schiedsverfahren gegen den Exminister beschlossen. Diese Möglichkeit räumt die Schiedsordnung der SPD jeder Parteigliederung ein, "wenn ein Parteiordnungsverfahren gegen ein Mitglied anhängig ist, das ihrem Organisationsbereich angehört". Die Frage, warum die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft in der Vorinstanz von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe, beantwortete Heil ausweichend. Kraft habe sich "korrekt und vernünftig verhalten".

Nicht direkt kommentieren wollte die Parteispitze Clements barsch ablehnende Reaktion auf ein Kompromissangebot der Ortsvereine, die das Verfahren gegen ihn beantragt hatten. Einen Hinweis gab Heil jedoch mit der Bemerkung, wenn der Bundesvorstand den Verfahrensbeteiligten Brücken baue, dann müssten diese "die Brücken auch betreten". In einem Brief an Parteichef Kurt Beck hatten sich die Verbände am Wochenende mit einer bloßen Rüge für den Fall einverstanden erklärt, dass Clement von künftigen Wahlaufrufen gegen die eigene Partei Abstand nimmt. Clement lehnte das mit den Worten ab, er werde sich "nicht auf irgendwelche Vergleichsvorschläge einlassen".

Eine Sprecherin Clements wies gestern auch ein neuerliches Angebot des SPD-Umweltpolitikers Hermann Scheer zurück, den Streit über die Energiepolitik in einem öffentlichen Streitgespräch auszutragen. Clement wolle "jetzt nicht mehr" mit Scheer diskutieren, sagte die Sprecherin. Eine entsprechende taz-Anfrage hatte Clement allerdings schon im Februar abgelehnt. "Herr Clement möchte nicht mit Hermann Scheer sprechen", sagte die Mitarbeiterin damals.

Wie ein Mantra wiederholte Heil am Montag die Feststellung, es komme in der Auseinandersetzung nicht auf Meinungen an. "Es geht nicht um einen Richtungsstreit, es geht um ein bestimmtes Verhalten", sagte Heil. "Wir sind die Partei der Meinungsfreiheit." Die Partei stehe zu den beschlossenen Reformen, sie stehe auch zum Atomausstieg. Die Beschlüsse zur "Weiterentwicklung" von Hartz IV, etwa der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere, seien "abschließend".

Als Kriterien für die Entscheidung des Bundesschiedsgerichts nannte Heil die Meinungsfreiheit jedes Parteimitglieds, das solidarische Verhalten innerhalb der SPD und die politische Lebensleistung des Betroffenen. Als Sanktionsmöglichkeiten sieht die Satzung zwischen der Rüge und dem Parteiausschluss theoretisch noch vor, dem Delinquenten das Recht zur Bekleidung von Funktionen oder sogar alle Rechte aus seiner Mitgliedschaft für bis zu drei Jahre zu entziehen.

Zum zeitlichen Ablauf sagte Heil, bis zu einem Spruch des Schiedsgerichts könne es wegen der notwendigen Fristen "durchaus Herbst werden". Da hätte der Generalsekretär den Satz von Max Weber ruhig vollständig zitieren können: Politik sei das "langsame Bohren von harten Brettern mit Augenmaß und Leidenschaft zugleich", hatte der Soziologe geschrieben.

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