Anklage wegen Misshandlung: Vater freigesprochen

Ein Vater soll seine Tochter misshandelt haben, weil sie kein Kopftuch tragen und den Cousin nicht heiraten wollte. Das Gericht spricht ihn frei - die Tochter, die ihn angezeigt hatte, schweigt im Prozess.

Mal wieder ein Streitobjekt: muslimisches Kopftuch Bild: dpa

Die Vorwürfe klingen drastisch: Vater Adnan I. soll seine Tochter misshandelt haben, da sie sich im Alter von zwölf Jahren weigerte, ein Kopftuch zu tragen; ein Jahr später wollte er sie mit Schlägen zu einer Hochzeit mit ihrem Cousin überreden. Mutter Aida I. sollte dem Ganzen nicht Einhalt geboten, sondern dies sogar mit den Worten "Erzieh sie mal" noch unterstützt haben. Auch der jüngste Sohn sei geschlagen worden. Angeklagt war das im Libanon geborene Paar mit deutscher Staatsangehörigkeit - er 63, sie 50 - wegen Misshandlung Schutzbefohlener.

Die Eltern bestritten die Vorwürfe, und weil keines der Kinder vor Gericht gegen sie aussagen wollte, musste der Staatsanwalt am Ende Freispruch fordern. Die Richterin bestätigt dies am Donnerstag in ihrem Urteilsspruch vor dem Amtsgericht Tiergarten. Man habe sich keinen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der Zeugen verschaffen können; darauf wäre es aber angekommen.

Sieben vermeintliche Taten waren dem Gericht bekannt, akribisch listet der Staatsanwalt die Gewaltakte auf: Als sich das damals zwölfjährige Mädchen, die einzige Tochter des Paares, weigerte, ein Kopftuch zu tragen, habe sie der Vater mit den Fäusten auf den Kopf geschlagen, bis sie bewusstlos zusammenbrach. Das Kopftuch trug sie dann bis zu ihrem 16. Lebensjahr. Ähnlich brutal soll der Vater auf ihre Heiratsverweigerung reagiert haben. Später habe sich das Mädchen umbringen wollen; als sie Abstand davon nahm, habe sie der Vater mit der Faust geschlagen und erklärt: "Wenn du sterben willst, dann geh doch sterben." Den jüngsten Sohn soll er geschlagen und getreten haben.

Vater Adnan, der kaum Deutsch spricht, äußert sich selbst nicht zu den Vorwürfen. Er lässt seine Frau reden. Die kopftuchtragende Aida I. sagt dem Gericht: "Das stimmt alles nicht." Ihre Tochter sei nicht zum Kopftuch gezwungen worden, auch nicht zur Heirat. Sie habe sich in ihren Cousin verliebt, doch die Eltern seien der Meinung gewesen, sie solle erst ihre Ausbildung machen; mit 18 Jahren könne sie dann heiraten. "Ich bin mit meine Tochter sehr gut verstehen", sagt die Frau, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt.

Im Gegenzug erhebt die selbstbewusste Frau, der man kaum ein Wort glauben mag, ihr aber nichts Gegenteiliges beweisen kann, Vorwürfe gegen ihre Tochter: Diese sei als einziges Mädchen sehr verwöhnt worden, sie habe ihre Mutter geschlagen und auch den Vater angegriffen. Nach diesem Vorfall sei sie zu ihrem ältesten Bruder gezogen. Inzwischen ist sie 18 und lebt in einer eigenen Wohnung. Mit ihrer Familie würde sie nur noch telefonischen Kontakt haben.

Die Tochter, die ihre Eltern angezeigt hat, und ihre Brüder verweigern vor Gericht die Aussage gegen die Eltern. Der jüngste Sohn sagt: Er verstehe sich gut mit seinen Eltern, es gäbe nichts zu berichten, weil nichts vorgefallen sei. Bei seinen Angaben wirkte er nicht so, als stünde er unter Druck.

Dennoch versucht das Gericht, sich eine Meinung zu den Vorwürfen zu bilden, und lädt die damalige Ermittlungsrichterin als Zeugin. Sie erklärt: "Ich habe die ganze Familie als äußerst brutal in Erinnerung." Zweimal habe sie die Tochter vernommen. Beim ersten Mal erschien ein selbstbewusstes Mädchen; ein Vierteljahr später, als sie gegen ihre Brüder aussagte, die sie bedroht haben sollen, erschien sie ihr wie ausgewechselt. Prägnant war die Reaktion der Zeugin auf die Frage des Gerichts: "Erinnern Sie sich daran, welcher Mann geheiratet werden sollte?" Die Ermittlungsrichterin: "Wir haben solche Fälle so oft: Im Zweifelsfall der Cousin - es ist immer der Cousin."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.