4.500 Arbeitsplätze auf der Kippe: Hertie ist pleite

Die Warenhauskette kommt nicht aus den roten Zahlen. Und jetzt kann auch der Finanzinvestor Dawnay Day nicht mehr: Hertie meldet Insolvenz an.

Erst vor anderthalb Jahren wurden die Karstadt-Kompakt-Häuser wieder in Hertie umbenannt. Jetzt ist der Laden pleite Bild: ap

BERLIN taz Zuletzt ging es dann doch ganz schnell. Am Mittwoch hatte sich der Hertie-Aufsichtsrat zu einer Sondersitzung in Essen getroffen. Am Donnerstag marschierte die Geschäftsführung zum Amtsgericht, um Insolvenz anzumelden. Damit ist klar, dass alle bisherigen Versuche, Geld für die Rettung der Warenhauskette zu beschaffen, gescheitert sind.

Trotzdem ist für Hertie-Geschäftsführer Mark Rahman noch nicht alles verloren - im Gegenteil: Er setzt darauf, den Geschäftsbetrieb in der Insolvenzphase stabilisieren und so umbauen zu können, dass "ein nachhaltiger Turnaround" zu schaffen ist. Alle 73 Warenhäuser mit insgesamt rund 4.500 Beschäftigten sollen geöffnet bleiben.

Die heutigen Hertie-Kaufhäuser sind nicht unbedingt identisch mit denen der alten Hertie Waren- und Kaufhaus GmbH, die ihren Namen während des Nationalsozialismus erhielt. Denn nach der Krise der 80er Jahre, als die Warenhäuser in den Innenstädten zunehmend von den Supermärkten auf der Grünen Wiese bedrängt wurden, hatte die damalige Karstadt AG 1993 zugeschlagen und die Hertie- und Wertheim-Häuser gekauft. Die großen und profitablen Geschäfte blieben unter dem Namen Karstadt in dem Konzern, der sich inzwischen Arcandor nennt. Die kleineren Warenhäuser, die Arcandor-Chef Thomas Middelhoff nicht genug Gewinn brachten, wurden in der Karstadt Kompakt GmbH zusammengefasst und 2005 an die britischen Finanzinvestoren Dawnay Day (85 Prozent) und Hilco UK (15 Prozent) losgeschlagen. Seit März vergangenen Jahres firmieren sie unter dem Namen Hertie.

Im Gefühl vieler Kunden war spätestens mit dem Verkauf der Niedergang eingeläutet. Zwar hatten die Investoren nicht nur ein neues Konzept, sondern auch ausreichend Geldmittel versprochen. Statt dessen wurde vor allem gespart. An Personal, sagt die Gewerkschaft Verdi. Mindestens ein Fünftel der Stellen sind unter der Ägide von Dawnay Day und Co weggefallen. Das sei wie ein "Tod auf Raten". An Qualität, sagen viele Kunden. Das Angebot in vielen Filialen werde von Saison zu Saison billiger und unattraktiver.

Verdi wirft Dawnay Day vor, sich "nie aktiv um eine Lösung der Probleme bei Hertie gekümmert" zu haben.

Tatsächlich zeichnete sich seit dem Einstieg des Investors eine Spirale nach unten ab. 2006 machte Hertie ein Minus von 33 Millionen Euro. 2007 waren es wiederum 30 Millionen Euro bei schrumpfenden Umsätzen und einem Eigenkapital von angeblich nicht mal zehn Millionen.

Akut bedrohlich wurde die Situation Anfang des Jahres, als klar wurde, dass Mehrheitseigentümer Dawnay Day heftig unter der weltweiten Finanzkrise leidet - und erklärte, künftig kein Geld mehr zuschießen zu können.

Nach dem Insolvenzantrag will die Hertie-Geschäftsführung "zügig" über Insolvenzgeld für die Beschäftigten verhandeln. Man werde das Konzept der Nachbarschaftskaufhäuser wiederbeleben, das Dawnay Day auch schon vorgehabt hatte, sagte Vertriebsleiter Erik van Heuven. Was er als Chance sieht: Das Insolvenzverfahren ermöglicht es dem Konzern, die "Rentabilität einzelner Häuser" leichter zu überprüfen - und die weniger finanzstarken vor allem leichter zu schließen.

In nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministerium war man enttäuscht über die Pleite, will den "möglichen Konsolidierungskurs aber konstruktiv begleiten". CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben hatte sich noch am Dienstag an Gesprächen über Rettungsversuche beteiligt und angekündigt, über eine Bürgschaft des Landes nachdenken zu wollen. 36 Hertie-Filialen befinden sich in NRW, 14 davon im Ruhrgebiet. Allein in der Stadt Essen gibt es vier Hertie-Häuser, deren Schließung für die Innenstadt eine Katastrophe wäre.

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