In der Einraumkneipe einer Kläger-Wirtin: Rauchen für die Fotografen

Die Wirtin Sylvia Thimm hat gegen das Rauchverbot geklagt. Wie eine Siegesfeier wirkt der Abend in ihrer Kneipe nach dem Urteil nicht. Und warum raucht kaum einer?

Endlich! Stephanie Timm im Doors. Bild: dpa

Es ist eine seltsame Siegesfeier, nicht nur weil die Siegerin gar nicht da ist. Es fehlen vor allem die Raucher. Dafür hat Sylvia Thimm doch gekämpft. Deshalb hat sie einen Anwalt beauftragt und ist vors Bundesverfassungsgericht gezogen. Damit die Leute in ihrer kleinen Eckkneipe namens Doors im Prenzlauer Berg wieder rauchen dürfen.

Es ist bestes Draußen-Wetter. Vielleicht ist das der Grund dafür dass nach acht Uhr abends am Tag des Karlsruhe-Siegs drinnen noch kein einziger echter Gast ist, um das frisch erstrittene Privileg zu nutzen. Der mittelalte Mann mit den zotteligen, grauen Ritterhaaren steht still hinter der Theke, zapft Bier und sagt, dass er eine "Nothilfe" sei und dass die Chefin nicht mehr kommt. Nein, heute nicht mehr. Nein, wirklich nicht.

Es sind durchaus viele Leute gekommen, bloß eben keine Gäste - nur Journalisten. Sieben Fotografen allein. Sie wollten Sylvia Thimm noch einmal dabei festhalten, wie sie raucht. Nach dem Urteil. Sie ist nicht da. Es gibt keine Siegerfotos. Irgendwelche Bilder brauchen die Fotografen allerdings trotzdem. "Möchte jemand in den Tagesspiegel?", fragt deshalb einer. Dann dreht er sich schnell eine, stellt die Kamera auf den Tresen und lässt einen Kollegen abdrücken. Es muss doch irgendjemand rauchen hier, jetzt wo man darf, wo das Bundesverfassungsgericht vor ein paar Stunden beschlossen hat, dass das in Einraumkneipen möglich sein muss. Zumindest wenn keine Minderjährigen da sind und kein Essen. Deswegen gibt es an Sylvia Thimms Kneipe mittlerweile auch ein Papierschild. Es hängt etwas verloren in dem kleinen, grünen Speisekarten-Kasten am Eingang, neben dem viel zu riesigen Zigarettenautomaten. Darauf steht, dass das eine Raucherkneipe ist und dass Zutritt nur hat, wer mindestens 18 Jahre alt ist.

Die Journalisten sehen alle aus, als wären sie volljährig. Sie haben sich nach draußen gesetzt. Sogar ein Übertragungswagen des RBB ist da. Eine Agentur hatte gemeldet, dass die Wirtin am Abend zum Feiern kommt und dass ihre Tochter die Kneipe dekoriert hat. Mehr als die zwei DIN-A4-Blätter, die vom neuen Status der Gastwirtschaft künden, hat Stefanie Thimm allerdings vorerst nicht geschafft. Auch die nehmen die Fotografen auf, es ist ja sonst niemand zum Fotografieren da. Oder? Ach, doch! Dieser eine Gast an der Theke, der ein Rockeroutfit mit ein bisschen Leder trägt und eine Zigarette mit Mundstück raucht. Der Erste. Er hat sich leise nach drinnen geschlichen. An dem Journalistenpulk vorbei, das vor der Tür darauf wartet, dass vielleicht doch noch irgendjemand raucht, der keinen Presseausweis im Portmonee hat.

Leider hat der erste Gast seine Kippe schon wieder ausgedrückt, als ein Fotograf auf ihn aufmerksam geworden ist. Und ziemlich ironisch hat er dann auch ein Argument bei der Hand, warum er sich nicht gleich wieder eine ansteckt, fürs Bild. Ist ja gesundheitsschädlich! Ein Witz. Er lächelt dabei wahrscheinlich auch, ganz tief in sich drin irgendwo. Man sieht es aber nicht. Jetzt haben die Doors-Gäste also das verfassungsmäßig verbriefte Recht auf Gesundheitsschädigung, aber sie sind noch nicht da und der, der da ist, tut so, als wolle er nicht.

Dann taucht plötzlich die Tochter auf. Stefanie Thimm trägt ein Top über der unauffälligen Rückentätowierung, dazu Jeans. Und das schönste an ihr – die Zigarette zwischen den Fingern. Das freut die Fotografen so richtig. Es blitzt und klickt. "Können Sie mal ziehen?" - "Ganz wunderbar!" Die Stimmung nach dem Sieg? "Dit geht mir gerade och 'n bisschen auf'n Sack", stellt die Tochter fest. Das Pulk von draußen belagert mittlerweile den Tresen. Dazu klingelt das Telefon. Das klingelt seit Tagen schon. "Soll ich's ausstöpseln?", fragt Thimm, die Nothilfe, die sich auf die andere Seite der Theke zurückgezogen hat.

Thimms Kippe ist schon im Aschenbecher verschwunden. Ein Fotograf bietet ihr schnell eine neue an. Aber sie möchte nicht. "Ich krieg ja noch Krebs", sagt sie, "wenn ich so viel rauche." Vielleicht bräuchte man gar kein Rauchverbot, sondern nur mehr Fotografen in Eckkneipen. Dann würde sich das Ganze von selbst erledigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.