Kommentar Journalisten in China: Trübe Aussichten für Olympia

Vor den Olympischen Spielen werden Journalisten In Peking als Nörgler und Störenfriede angesehen. Chinas Behörden haben aus dem Erdbeben in Sichuan nichts gelernt.

Peking ist in diesen Tagen eine Stadt der zwei Wahrheiten. Architektonisch kühne Bauten wie das neue Fernsehzentrum ragen in den Himmel, die Baustellen ruhen. Peking ist so sauber, so frisch gestrichen und so still wie sonst nie. Zwar hängt der Smog noch in der Luft. Doch die Pekinger hoffen, dass er sich bis zum Beginn der Spiele am 8. August verziehen wird.

Die andere Wahrheit ist hässlicher: Hunderttausende Wanderarbeiter, die sonst die Straßen und Plätze bevölkerten, mussten Peking verlassen. Kritische Geister wie der Bürgerrechtler Hu Jia sitzen im Gefängnis. Andere wurden aus Peking verschleppt, damit sie nicht mit ausländischen Journalisten sprechen können. Denn diese Wahrheit soll unter dem Deckel bleiben.

Doch die ausländischen Journalisten, die zu den Olympischen Spielen nach Peking kommen, werden sich nicht mit einem noch so perfekt inszenierten Propagandabild zufriedengeben: Sie suchen authentische Geschichten. Konflikte sind damit programmiert. Denn Chinas Funktionäre verstehen scharfe Fragen als Beleidigung, wie sich auf den drögen Olympia-Pressekonferenzen in den letzten Wochen immer wieder gezeigt hat.

Chinas Behörden haben aus dem Erdbeben in Sichuan leider nichts gelernt. Dort durften Journalisten - zumindest in den ersten Tagen - ohne Gängelei nach der Wahrheit suchen. Das Ergebnis waren Berichte, die von Sympathie, Mitgefühl und Respekt getragen waren.

In Peking dagegen werden Journalisten nun wieder als Nörgler und Störenfriede angesehen. Proteste wollen die Behörden in Parks verbannen, und ob sie Kundgebungen überhaupt erlauben, bleibt fraglich. Die KP will der Welt perfekte Spiele zeigen - ein perfektes China, eine perfekte Hauptstadt. Dafür räumen sie alles aus dem Weg, was diesen Eindruck stören könnte.

Das alles spricht nicht für eine fröhliche Begegnung von Sportlern aus aller Welt. Womöglich werden die Funktionäre deshalb ihre große Chance verpassen. Denn würden sie mehr Offenheit wagen und die ausländische Kritik gelassener hinnehmen, könnten sie die Welt einnehmen - für sich, für ihr Land und seine im frischen Glanz erstrahlende Hauptstadt.

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Bis Anfang 2012 Korrespondentin der taz in China, seither wieder in der Berliner Zentrale. Mit der taz verbunden seit über zwanzig Jahren: anfangs als Redakteurin im Auslandsressort, zuständig für Asien, dann ab 1996 Südostasienkorrespondentin mit Sitz in Bangkok und ab 2000 für die taz und andere deutschsprachige Zeitungen in Peking. Veröffentlichung: gemeinsam mit Andreas Lorenz: „Das andere China“, wjs-verlag, Berlin

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