Symposion zum "schlauen Tier": Die Sicht des klugen Delfins

Als Tilly Bébé mit der Großkatze tanzte: Ein Symposion in Frankfurt am Main diskutierte Zoo und Kino als Schaueinrichtungen der Moderne. Dem Trend zur Eventisierung entgehen beide Orte nicht.

"Jeder kennt ihn, den klugen Delfin!" - Eine Gemeinsamkeit von Zoo und Kino besteht darin, dass beide bewegte Bilder zugänglich machen. Bild: ap

Clarence, Judy, Fury, Lassie, Skippie - ganz richtig, wir sind bei den prägenden Tierhelden einer Fernsehkindheit der Siebzigerjahre. Einer fehlt noch: Flipper, von dem der Titelsong auf unvergessliche Weise behauptete: "Jeder kennt ihn, den klugen Delfin!" Winfried Pauleit, Professor für Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik an der Universität Bremen, brachte das schlaue Tier beim Frankfurter Symposion zu "Zoo und Kino als Schaueinrichtungen der Moderne" in Erinnerung. Es sei ihm eingefallen, als er darüber nachgedacht habe, von welcher Position aus er seinen Vortrag ansetzen solle. Was zunächst nach Kalauer klingt, entpuppt sich als produktiver Witz, mithin als Einladung zum originellen Denken, zum Sprung über die Grenzen der Disziplinen und ihrer üblichen Denkmuster hinweg.

Dabei erreicht die Wissenschaft selten die Eleganz eines Delfins; dem Symposion jedoch, veranstaltet von der Frankfurter Filmwissenschaft in Kooperation mit dem Zoo, gelang es, einen Prozess des Nachdenkens so schwungvoll in Gang zu setzen, dass man am Ende am liebsten verlängert hätte. Anhand von Vorträgen und einer Filmreihe wurde über "Schauordnungen" und über die Frage von Alterität und Gemeinsamkeit zwischen Mensch und Tier diskutiert - unter Berücksichtigung des historischen Wandels der Zooanlagen vom Beginn in höfischen Menagerien bis zum modernen Streichelzoo.

Eine Gemeinsamkeit von Zoo und Kino besteht darin, dass beide bewegte Bilder zugänglich machen. In der begleitenden Filmreihe waren aber keineswegs nur "Tierfilme" programmiert. Einerseits konnte man hier in dokumentarischen Stummfilmaufnahmen die legendäre Tigerbändigerin Tilly Bébé beobachten, die im Schleifenkleidchen eifrig mit den Großkatzen tanzt, so kindlich-kokett, dass man sie in einer utopischen Welt wähnt, in der Tier und Mensch sich anders tolerieren könnten.

Andererseits gab es Filme, die im Zoo spielen, wie "Fierce Creatures", in dem John Cleese als Zoodirektor dem "Heuschreckenkapitalismus" zum Opfer fällt, und solche, in denen der Umgang mit wilden Tieren eine wichtige narrative Funktion übernimmt wie John Fords "Mogambo" oder Howard Hawks "Hatari!". Als Kontrapunkt dazu dienten der "Nashorn-" und der "Flusspferd"-Film von Karl Kels, in dem es explizit um die narrationsfreie Beobachtung der Tiere geht.

Austragungsort des Symposions war das Kino im Frankfurter Zoo, wodurch möglich wurde, dass gleich zu Beginn Zoodirektor Manfred Niekisch zum Zoospaziergang einlud. Ein Akt, der zur Verlebendigung der folgenden Diskussion einiges beitrug. Gerade noch hatte man in László Moholy-Nagys Dokumentation aus dem Jahr 1937 vorgeführt bekommen, wie moderne Betonarchitektur im Londoner Zoo einzog und als funktional und schön gepriesen wurde. Da konnte man feststellen, dass auch im Frankfurter Zoo gerade viel umgebaut wird. Natürlich haben sich die Vorgaben geändert: Was in den 30er-Jahren die Emphase für das Funktionale und Wandelbare war, ist heute die für artgerechte Tierhaltung und größere Erlebnisnähe. "Glas statt Gitter" ist die Maxime.

Die Gitterstäbe, früher fast das Symbol für Zoogehege, seien heute geradezu verpönt, stellte man in den Diskussionen fest, die "political correctness" des Zoodiskurses verbannt sie aus den offiziellen Bildern und Filmen. Dabei stellt das Glas die Zooarchitektur vor neue Probleme: Wo Glaswände die alten Gitterstäbe und Sicherheitsgraben ersetzen, damit Mensch und Tier sich so nah wie nie gegenübertreten können, fehlt auf einmal etwas ganz Wesentliches dieser Begegnung: der Geruch. "Riechlöcher" müssen hier Abhilfe schaffen.

So manche Problematik der Zooeinrichtung wird erst durchs Gefilmtwerden deutlich: der Aberwitz etwa, der darin besteht, dass wilde Tiere durch Türen laufen. Es gilt aber auch umgekehrt: Die Schaueinrichtung Zoo macht aufmerksam für manches filmische Phänomen. So reflektiert der wissenschaftliche Tierfilm auf fast unheimliche Weise die immer allgegenwärtiger werdende Videoüberwachung.

Sowohl der Zoo als auch das Kino sind Einrichtungen, deren Funktion weder ganz in Unterhaltung noch in Forschung noch in Archivierung aufgeht. Sie sind Orte, an denen sich realistische, wissenschaftliche und utopische Elemente überlagern. Steven Spielbergs "Jurassic Park" führt das in kruder Mischung vor Augen: die Wissenschaftsfantasie vom biogenetischen Transfer alten Erbguts, die Verbindung von Hochsicherheitstrakt für gefährliche Dinos und Landschaftspark für die harmlosen, die Gesamtanordnung als "Themenpark" und schließlich das "hautnahe" Erleben. Die aktuellen Entwicklungen von Zoo und Kino sind hier auf den Punkt gebracht. Sowohl das Kino als auch der Zoo brauchen Zuschauer. In beiden ist deshalb der jüngste Trend zur "Eventisierung" offensichtlich. Wo im Kino die Spezialeffekte zur immer größeren Involvierung und "Fesselung" des Zuschauers beitragen sollen, sind es im Zoo die "Seaworld"-Aquarien, die den Besucher zwischen den Tieren positionieren und unmittelbares Erleben versprechen. Die Seite zu wechseln und die Welt einmal aus der Position des "schlauen Delfins" zu denken, kann da ungeheuer hilfreich sein.

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