Globalisierungskritik auf Japanisch: Zerstritten, aber handlungsfähig

Der japanische G-8-Protest wird von Studierenden, Anarchisten, Gewerkschaftern, Bauern und Entwicklungshilfe-Initiativen getragen. Wollen sie das gleiche?

Klar ist: Die Proteste werden bunt Bild: REUTERS

SAPPORO taz Obwohl Japans Globalisierungskritiker seit Monaten landesweit für ihre Camps, Demonstrationen und Blockadeaktionen mobilisieren, wird die Zahl der Aktivisten überschaubar bleiben. "Die Organisatoren können froh sein, wenn sie 8.000 Demonstranten zusammenbekommen", sagt Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung, der den Vorbereitungsprozess der japanischen G-8-Gegner mitverfolgt hat. Im Vergleich zu den 50.000, die vor einem Jahr in Rostock gegen den G-8-Gipfel demonstrierten, sei das nichts. Bei der Auftaktdemonstration in Tokio am vergangenen Samstag kamen gerade einmal 2.000.

Die japanischen Nichtregierungsorganisationen seien wesentlich schwächer aufgestellt als jene in Europa, Nordamerika oder auch Südostasien, sagt Maier. Dominiert würden die NGO-Szene von zwei Spektren: den entwicklungspolitischen Initiativen, die vor allem darauf aus seien, möglichst viele Spendengelder einzutreiben, und umweltpolitischen Organisationen, die deutlich regierungskritischer seien. "Sie haben das Politische mehr im Blick", sagt Maier. Das Problem: Sie sind untereinander zerstritten.

Dennoch haben sie es geschafft, gemeinsam einen großen Alternativkongress auf die Beine zu stellen. Insgesamt 140 NGOs veranstalten nun parallel zum Treffen der G-8-Staatschefs ihren eigenen Gipfel im Convention Center in Hokkaidos Provinzhauptstadt Sapporo.

Außer von den NGOs wird der japanische G-8-Protest vor allem von einer Strömung getragen, die sich als Neue Linke bezeichnet und sich vor allem aus linken Studenten, Anarchisten, Gewerkschaftsinitiativen und der Bauernorganisation Via Campesina zusammensetzt. Ihr Problem: Aufgrund ihrer militanten Vergangenheit in den 1970er-Jahren werden vor allem die Anarchisten von vielen deutlich moderateren Nichtregierungsorganisationen gemieden. Zudem sind sie ebenfalls untereinander zerstritten. "Die Gruppen bekämpfen sich gegenseitig, statt gemeinsam für ihre Ziele zu kämpfen, beklagt sich einer der japanische Camporganisatoren, Kiyoshi Takako. Und dennoch: Die Großdemonstration am Samstag in Sapporo, drei Widerstandscamps rund um den Tagungsort, alternative Medienzentren und auch die geplanten Straßenblockaden zum Auftakt des Gipfels werden aus diesem Spektrum organisiert.

Personelle Unterstützung erhoffen sich die japanischen G-8-Gegner aus den Nachbarländern. Vor allem Aktivisten aus den Philippinen, aus Taiwan und Südkorea reisten in die südchinesische Finanzmetropole, um gegen den aus ihrer Sicht einseitig diktierten Freihandel zu demonstrieren.

Ob es bei der Demonstration am Samstag tatsächlich die angestrebten 10.000 Teilnehmer werden, möchte die G-8-Protestkoordinatorin Mika Ohbayashi nicht vorhersagen. Als Erfolg bewertet sie den Protest aber jetzt schon: NGOs führen bis dato ein Schattendasein in Japan, berichtet sie. Erstmals werden Nichtregierungsorganisationen von der japanischen Regierung als direkte Gesprächspartner anerkannt. Jürgen Maier sieht es nüchterner: Der bis vor Kurzem amtierende russische Präsident Putin hatte diese sogenannten NGO-Dialoge beim G-8-Gipfel in Sankt Petersburg eingeführt. "Japan will sich nicht nachsagen lassen, hinter Russland zurückzufallen." FELIX LEE

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