Interview CDU-Innenpolitiker Binninger: "Kreidetafeln sind keine Alternativen"

"Ein Stehenbleiben ist eher ein Rückschritt für den Datenschutz", meint Clemens Binninger. Ihm sind die vielen falschen Einträge im Melderegister ein Dorn im Auge.

"Man schätzt, dass derzeit 4 Millionen Datensätze fehlerhaft sind": CDU-Innenpolitiker Clemens Binninger. Bild: c. binninger

taz: Herr Binninger, warum braucht Deutschland mit dem Bundesmelderegister noch einen Zentralspeicher mit sensiblen Daten?

Clemens Binninger: Schauen Sie sich an, wie wir bislang das Meldewesen organisiert haben: Jede der über 5.000 Meldestellen ist eigenständig verantwortlich. Das birgt Risiken, und deshalb haben wir einen hohen Bestand an fehlerhaften Daten.

Was heißt denn fehlerhaft?

Es kann etwa sein, dass jemand an viel mehr Orten gemeldet ist, als er sich tatsächlich aufhält. Auch Geburtsdatum oder Adresse können falsch sein. Man schätzt, dass derzeit 4 Millionen Datensätze fehlerhaft sind. Mit einem Bundesmelderegister wird schlicht die Qualität der Daten besser überprüfbar, Bürokratie kann abgebaut und Kosten können eingespart werden.

Ginge das nicht auch, wenn man die Landesmelderegister besser vernetzt?

Damit wäre niemandem geholfen. Dann brauchen Sie ja auch wieder Stellen, die das auf Landesebene machen, und jemanden, der die Ergebnisse der Länder untereinander abgleicht. Ideal ist daher ein Bundesmelderegister, in dem ein Teil der Daten gespiegelt wird.

Ein Teil der Daten? Der Referentenentwurf sieht vor, dass unterschiedliche Behörden so ziemlich alle Daten über mich einsehen können.

Heute müssen alle Meldeämter ihre Daten an bis zu 40 öffentliche Stellen übermitteln, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können. Wenn sie jedes Mal vorher gefragt werden wollen, dann wären wir in Deutschland nicht in der Lage, auch nur eine soziale Leistung auszubezahlen. Damit der Staat seinen Aufgaben nachkommen kann, braucht er die Daten. Und das von einer Stelle.

Und dazu gehören auch Angaben über meine Wehrpflicht oder meinen Waffenschein?

Darüber, welche Daten notwendig sind, wird es Gespräche geben. Wir stehen am Anfang der Diskussion. Leitschnur für uns als Union ist: Nur die Daten, die zwingend notwendig sind, werden gespiegelt. Aber eins ist klar: Das Zentralregister ist für uns alternativlos. Nicht zuletzt um die Kommunen um rund 100 Millionen Euro pro Jahr zu entlasten.

Aber Wirtschaftlichkeit sollte doch kein Argument sein, wenn es um Datenschutz geht.

Wenn wir in der Lage sind, mit dem Bundesmelderegister die Qualität der Daten zu verbessern, ist dem Datenschutz mehr geholfen, als wenn wir Fehler einfach so hinnehmen.

Nur werden sich dann alle möglichen Stellen für diese Daten interessieren. Eine Fundgrube beispielsweise für die Wirtschaft.

Privatrechtliche Auskünfte gibt es doch schon heute. Sie können als Privatmann oder als Unternehmen, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt, Daten auf Anfrage erhalten. Auf das Bundesmelderegister wird es aber keinen privaten Zugriff geben.

Wie wollen Sie das sicherstellen? Die Panne bei der Meldestelle Brandenburg zeigt es.

Nur weil es eine Panne gab, können wir doch nicht auf bedrucktes Papier umsteigen. Wir müssen eher versuchen, das Verfahren so weiterzuentwickeln, dass so etwas nicht wieder vorkommt. Ein Stehenbleiben ist eher ein Rückschritt für den Datenschutz. Diskettentransporte und Kreidetafeln sind ja wohl wirklich keine ernsthaften Alternativen.

INTERVIEW: VEIT MEDICK

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