Geologe zur Panne im Endlager Asse: "Die Ableitung ist illegal"

Auch wenn sich die Verhältnisse in der Asse und in Gorleben unterscheiden, muss die Entsorgung in Salzstöcken überdacht werden, sagt der Geologe Wolfgang Kreusch.

Für Atomkraftgegner zeigt der Fall Asse klar: Auch Endlagerung im Salzstock Gorleben ist nicht sicher. Bild: ap

taz: Nach den jüngsten Vorfällen im Endlager Asse sehen Atomkraftgegner aus dem Wendland nun auch das Endlagerkonzept für Gorleben als gescheitert an. Zu Recht?

Wolfgang Kreusch: Die Standorte Gorleben und Asse liegen in der Tat beide in Salzstöcken. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Asse ein altes Bergwerk ist, in dem tatsächlich Salz abgebaut wurde. Gorleben ist dagegen ein speziell zum Zweck der Endlagerung aufgefahrenes Bergwerk. Die Vorgänge in der Asse können also nicht eins zu eins auf Gorleben übertragen werden.

Was unterscheidet sie?

Die Schwächen des Endlagers Asse sind lange bekannt: Es sind dort viele Schächte und Stollen angelegt. Im Süden ist nur noch eine geringe Salzschicht vorhanden, aus den oberen Schichten tritt Flüssigkeit ein, und die Kalisalzvorkommen sind leicht löslich. Bei Gorleben ist das Deckgebirge nicht so ausgebildet, dass es langfristig aus dem Salzstock heraustretende Radionuklide von der Biosphäre zurückhalten kann. Zudem wurde die Festlegung von Gorleben nicht vorrangig nach Sicherheitsmerkmalen vorgenommen.

In Gorleben soll, anders als in der Asse, hoch radioaktiver Müll eingelagert werden. Welche besonderen Anforderungen an den Salzstock impliziert dies im Vergleich zur Asse?

Die Anforderungen ergeben sich vor allem aus der Wärmeentwicklung und der daraus folgenden Aufheizung des Salzstocks. Dies führt zu Spannungen im Gestein, wodurch wiederum Lösungszuflüsse ausgelöst werden können. Und Lösungszuflüsse sind bei einem Endlager im Salz das denkbar Ungünstigste.

Steht wegen der Pannen in der Asse nun grundsätzlich Salz als Lagermedium infrage?

Nein. Allerdings sollten die Anforderungen bei der Endlagerung in Salz neu überdacht werden, vor allem die Annahme des "sicheren Einschlusses".

In der Asse ist Lauge mit radioaktivem Cäsium und anderen Substanzen kontaminiert. Der Betreiber hat die Flüssigkeit in den sogenannten Sumpf abgepumpt. Gibt es da also ein illegales Endlager im Endlager?

Der vom Niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geowissenschaften erteilte Sonderbetriebsplan "Umlagerung von kontaminierten Salzlösungen und Materialien in den Tiefenaufschluss" von Ende 2007 ist Grundlage der Ableitung kontaminierter Lösungen in der Asse. Soweit die Kontamination der Lösungen über der sogenannten Freigrenze liegt, sind sie als radioaktiver Abfall zu behandeln und zu beseitigen. Das ist nicht geschehen, insofern ist die Ableitung dieser Lösungen illegal.

Das Helmholtz Zentrum will Asse fluten, Anwohner und Kritiker warnen davor. Welche Gefahren sehen Sie?

Die Flutung der Asse mit sogenanntem Schutzfluid hat den großen Nachteil, dass ein Lösungs- und Transportmittel für den Transport von Radionukliden in die Biosphäre bereitgestellt wird. Dies führt mittelfristig zu einer Freisetzung von Radioaktivität in die Biosphäre. Das Grundproblem besteht darin, dass der Betreiber keinen umfassenden und detaillierten Vergleich der möglichen Optionen zur Verfüllung der Asse vorgenommen hat. Ein solcher Vergleich ist aber notwendig, um das optimale Stilllegungskonzept herauszufinden.

Was wären denn Alternativen zur Flutung?

Denkbar sind etwa eine trockene Verfüllung des Grubengebäudes, eine Umlagerung bestimmter Abfälle oder eben ihre Rückholung. Dann müssten die kaputten Fässer neu verpackt und endgelagert werden.

Wo sollen die Abfälle im Falle einer Rückholung hin - und wer kann die möglicherweise kaputten und korrodierten Fässer überhaupt zurückholen?

Die Fässer könnten womöglich in den Schacht Konrad. Das größte Problem bei der Rückholung sind die schwach aktiven Abfälle, da diese zu großen Teilen nicht geordnet abgelagert, sondern abgekippt wurden. Zudem sind die Einlagerungskammern mit Salzgrus verfüllt. Hier helfen bei der Rückholung keine ferngelenkten Maschinen, sondern nur Menschen. Diese werden wahrscheinlich einer deutlichen Strahlenbelastung ausgesetzt.

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