Gesinnungsproduktion in Schulbüchern: Geschäftsführer in Limousine

Sind Schulbuchautoren Antikapitalisten? Nein, belegt eine neue Studie. Von Unternehmenshetze in Schulbüchern kann keine Rede sein.

So ist er laut Schulbuch unterwegs, der Geschäftsführer - auch nach der Firmenpleite. Kein Wunder, dass sich immer mehr junge Menschen antikapitalistischen Vereinigungen anschliessen. Bild: dpa

Noch vor kurzem verfiel der Politikwissenschaftler Gary Merrett in einem Artikel in der Welt in Alarmstimmung: Deutsche Schulbücher hetzten gegen Unternehmen, verbreiteten "marktfeindliche Irrlehren" und erklärten den Kapitalismus zum Feind. Über die "Gutmensch-Autoren" beim Diercke-Verlag, die Stimmung für arme Kaffeebauern machen und doch tatsächlich den Kauf von Fair-Trade-Produkten vorschlagen, empörte sich der Autor.

"Angesichts dieser systematischen Hetzjagd gegen die freie Marktwirtschaft an deutschen Schulen sollte es nicht verwundern, dass immer mehr junge Menschen sich radikal antikapitalistischen Vereinigungen oder Globalisierungsskeptikern wie Attac anschließen, zu Staatsgläubigkeit neigen und umfassende Ansprüche an den Staat stellen". folgerte der Autor - in offensichtlicher Sorge um das Humankapital Schüler.

Von "Gesinnungs-und Dogmenproduktion" in Schulbüchern kann keine Rede sein, sagen jetzt die Forscher der Georg-Eckert-Institut für Schulbuchforschung. Sie haben sich über 140 deutsche, englische und schwedische Schulbücher angeschaut und kommen in ihrer Studie zu dem Ergebnis: Dass Unternehmen in Schulbüchern generell ein negatives Image haben, stimmt nicht. Unternehmen und Wirtschaft würden vielmehr "erstaunlich differenziert" dargestellt. Was deutsche Schulbücher ihren Schülern servieren, ist laut Studie vor allem ein solides Grundlagenwissen über Wirtschaft - und nicht der von Merrett konstantierte "ökonomische Nonsens mit linkem Beigeschmack".

Die Initiative Soziale Marktwirtschaft (ISM), der Auftraggeber der Studie, will sich allerdings nicht so richtig über dieses Ergebnis freuen. Dass deutsche Schulen die Schüler über den Sozialstaat aufklären, schön und gut, aber ISM-Geschäftsführer Dieter Rath wünscht sich noch mehr: Schüler sollten am besten aus ihren Schulbüchern lernen, wie man Unternehmer wird. So wie in Schweden, dort werde Schülern generell ein positiveres Bild von Unternehmen vermittelt: "In Schweden gleichen die Bücher zuweilen kleinen Gebrauchsanweisungen für das Gründen und Führen einer Firma", so Rath.

In den deutschen Büchern dagegen denkt man eher aus der Arbeiterperspektive, Themen wie Tarifkonflikte und Gewerkschaften bekommen viel Platz eingeräumt. Unternehmerische Qualitäten dagegen spielen laut Studie eine unwichtigere Rolle. Der Unternehmer als Person kommt laut Studie ohnehin kaum in den Büchern vor, was bemängelt wird: "Folgt man den deutschen Schulbüchern, so scheint es im Feld der Wirtschaft weder persönliche Leistungen noch persönliche Verfehlungen, sondern nur Strukturen zu geben. Strukturen aber tragen keine Verantwortung", schreiben die Forscher.

Aber dennoch: "Die ganze Bandbreite des antikapitalistischen Ressentiments", wie ein Autor nach ausführlicher Schulbuchlektüre in der FAZ konstatierte, konnten die Forscher nicht entdecken. Wohl aber, dass Firmenchefs in Schulbüchern häufig nicht das allerbeste Image haben. Wie dieser fiktive Geschäftsführer in einem Schulbuch für die 9. und 10. Klasse, der nach seiner Firmenpleite wie folgt dargestellt wird: "Herr M. wirkte zwar geknickt, aber er bewohnte sein neues Haus und fuhr weiterhin eine neue teure Limousine". Aber so was soll es ja geben.

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