Vor dem Viertelfinale: Portugals Angst vor Deutschland

Der Respekt ist nicht gespielt: Trainer Luiz Felipe Scolari hat eine hohe Meinung vom Können des DFB-Teams.

Schiss? Portugals Trainer Scolari. Bild: reuters

NEUCHÂTEL taz Auf den Flügeln des Spielfelds, wo sonst Cristiano Ronaldo wirbelt, stach beim Trainingsspiel der portugiesischen Nationalelf am Montag Bruno Pereira hervor. Er war der Einzige, der unförmige Beine sowie ein paar Kilo zu viel am Bauch hatte. Nie war es einfacher, portugiesischer Nationalspieler zu werden. Portugal brauchte noch einen, damit die Mannschaften gleich stark waren. Die Wahl fiel auf Bruno Pereira. Er wurde beim Spiel sechs gegen sechs dem Team um Regisseur Deco zugeteilt. Normalerweise wäscht er Portugals Trikots.

Drei Tage vor dem Viertelfinale gegen Deutschland machte die EM als aufregendes Ereignis im Quartier der Portugiesen in Neuchâtel einmal kurz Pause. Im Stadion La Maladière, wo sich zuvor beim öffentlichen Training 12.000 portugiesische Einwanderer in Ekstase schrien, schauten diesmal vier Balljungen und drei Polizisten im strömenden Regen zu. Wie ein Wichtelmann sah Trainer Luiz Felipe Scolari aus, die Kapuze hing ihm über die Augenbrauen. Er schielte heraus, um zu beobachten, wie Deco mit einem Pass Trikotwäscher Bruno losschickte.

Der Ernst beginnt erst jetzt für Portugal. Auf den Gewinn ihrer Vorrundengruppe hätte Scolari gerne verzichtet - denn wären sie nur Zweiter geworden, blieben ihnen die Deutschen erspart. "Ich fürchte Deutschlands Spiel", sagte Scolari. Mit dieser Angst mag er mittlerweile fast alleine dastehen in der Fußball-Welt. Doch er ist Trainer; anders als bei vielen Fans und Medien reicht sein Gedächtnis weiter zurück als nur zu den biederen Auftritten der Deutschen gegen Kroatien und Österreich. "Meine hohe Meinung von Deutschland hat sich überhaupt nicht geändert", sagte er.

Soclaris Respekt vor den Deutschen ist nicht gespielt. Er hat sie schon lange vor dem Turnier wiederholt seine Favoriten genannt. "Taktisch sind sie sehr weit entwickelt, und dies mischen sie mit einer konstruktiven Aggressivität. Sie verteidigen jederzeit ihren Stolz." Bislang lieferte die EM allerdings nur wenige Minuten als Beleg, dass Portugal gegnerische Wucht nicht verträgt. 30 Minuten der ersten Halbzeit ging Tschechien in der Vorrunde mit aggressivem Pressing und viel Courage zum eigenen Angriff gegen sie vor, und da sah man plötzlich wieder das verwundbare Portugal der Qualifikation, als ihnen Polen, Finnland, Serbien und gar Armenien den Sieg verwehrten. Für eine Spitzenelf haben sie eine hohe Zahl von Spielern, die wie Ronaldo und Deco quasi überhaupt nicht oder wie Simão, João Moutinho und Paulo Ferreira nicht sehr konstant verteidigen. Doch Tschechen und Türken waren in der Vorrunde viel zu sehr mit den portugiesischen Euphorieangriffen beschäftigt und vielleicht auch zu besessen vom Gedanken, Ronaldo und Deco zu stoppen, um an ihr eigenes Spiel zu denken. Angesichts der allgemeinen Euphorie um ihre Offensive scheint es, als seien die Portugiesen selbst die Einzigen, die ihre wunden Stellen sehen. "Wir haben zu viele Spieler, die nur vorwärts wollen", sagt Verteidiger Ricardo Carvalho. "Aber was soll der Trainer tun? Er kann ihr Denken nicht ändern, er muss sie laufen lassen."

Regenschwer klebten die Trainingspullover an den Portugiesen, als sich das Team Deco nach dem Sieg über Team Ronaldo im Trainingsspiel aus Spaß jubelnd den leeren Tribünen zuwandte und brüllte: "Ein Foto! Ein Siegerfoto!" Nur einer wollte nicht drauf auf das imaginäre Siegerbild. Bruno Pereira stand abseits mit gesenktem Kopf. Der Mann, der die Trikots wäscht, war offensichtlich nicht zufrieden mit seinem Debüt im Nationalteam.

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