Österreichs Kanzler Gusenbauer gibt Parteivorsitz ab: Umsturz in der SPÖ

Konsequenz aus desaströsen Umfragewerten und Unmut in der eigenen Partei: Österreichs Kanzler Gusenbauer muss den Vorsitz der Sozialdemokraten abgeben.

Parteivorsitz abgeben, um Bundeskanzler bleiben zu dürfen: Alfred Gusenbauer (SPÖ) Bild: dpa

WIEN taz Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer gibt den SPÖ-Parteivorsitz ab. Mit diesem überraschenden Ergebnis endete Montag eine Sitzung des erweiterten Präsidiums der größeren Regierungspartei. Gusenbauer war in den vergangenen Wochen stark unter Druck gekommen. Besonders aus dem Gewerkschaftsbund und den Bundesländern waren immer lautere Rufe nach einer Ablöse des glücklosen Kanzlers zu vernehmen. Nach den Landtagswahlen in Tirol, wo die SPÖ am 8. Juni mehr als zehn Prozentpunkte und den zweiten Platz verlor, war Feuer am Dach.

Das SPÖ-Präsidium entschied sich für die Lösung, die vorher noch alle Welt für ungeeignet gehalten hatte, die Krise der Partei zu überwinden. Der Vorschlag zur Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz soll von Gusenbauer selbst gekommen sein. "Sie können mir glauben, dass heute in der Früh alle Beteiligten einigermaßen überrascht waren", versicherte er bei einer anschließenden Pressekonferenz. Infrastrukturminister Werner Faymann, der den geschäftsführenden Parteivorsitz übernimmt, ist ein Mann, der mit fast allen gut kann und ein Liebling der Boulevardblätter. Wie einst Franz Müntefering muss er versuchen, das linke alter ego des Kanzlers zu spielen. Er will die Positionen der SPÖ "einschärfen", also gegenüber der ÖVP besser durchsetzen. Gleichzeitig kündigt er mehr parteiinterne Diskussion an. Beides sei ja unter Gusenbauer zu kurz gekommen, wie Kritiker immer wieder eingemahnt hatten. Für Faymann ist das eine neue Rolle. Als Regierungskoordinator hatte er sich bisher immer durch seine Konzilianz und Verbindlichkeit ausgezeichnet. Am Parteitag im Oktober soll er offiziell zum Parteivorsitzenden gewählt werden. Offizielles Ziel der Rochade ist die Verbesserung der Kommunikation. Erich Haider, SPÖ-Obmann in Oberösterreich, gab sich vorsichtig optimistisch. Sein Regierungsamt wird Faymann vorerst nicht abgeben. Auch Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur bestritt er. Gusenbauer erklärte, er wolle seine Partei 2010 wieder in die Nationalratswahlen führen. Einzige direkte Auswirkung der SPÖ-Tumulte auf die Regierung ist die Bestellung der bisherigen Frauenministerin Doris Bures zur alleinigen SPÖ-Bundesgeschäftsführerin. Sie ersetzt den polemischen Josef Kalina und den nach außen wenig bekannten Reinhard Winterauer auf Wunsch Gusenbauers, mit dem sie seit den Tagen der Sozialistischen Jugend eng zusammenarbeitet. Die Frage ihrer Nachfolge soll nächste Woche entschieden werden. Beim Koalitionspartner hält man sich mit Stellungnahmen zurück. Einzig ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon trat vor die Mikrophone. Er positioniert seine Partei als Felsen der Stabilität gegenüber einem krisengeschüttelten Partner und stellte fest, die neue Situation werde "die Regierungsarbeit nicht einfacher machen".

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