Portugal gegen Türkei: Alle wollen Ronaldo

Die Portugiesen brauchten eine Weile, um mit der eigens erfundenen türkischen Defensivstellung klarzukommen. Am Ende können sie ihre technische Überlegenheit ausspielen.

Statt Ronaldo macht Innenverteidiger Pepe die Tore - eines der beiden zählt sogar. Bild: ap

GENF taz Kurz nach Mitternacht durchdrangen zwei laute Huptöne den zum Treffpunkt für Spieler und Journalisten umfunktionierten überdachten Parkplatz hinter der Haupttribüne des Stade de Geneve. Der Busfahrer der portugiesischen Nationalmannschaft verlor langsam die Geduld, aber Christiano Ronaldo kam einfach nicht richtig vorwärts. Verließ er die eine Menschentraube aus wissbegierigen Reportern, bildete sich ein paar Schritte weiter die nächste.

Am Ende stand der Stürmer von Manchester United mit seinem roten Gucci-Täschchen unterm Arm und dem silbernen Knopf im linken Ohr vor englischen Journalisten, die wissen wollten, ob er denn die Spekulationen um einen möglichen Wechsel zu Real Madrid verdrängen könne. Real bietet ja millerweile angeblich 100 Millionen Euro für den dribbelsüchtigen Weltkassedraufgänger und egal, was auch passiert bei dieser EM im Lager der Portugiesen, Ronaldo zieht die Aufmerksamkeit auf sich wie kein zweiter Spieler dieses Turniers.

Ronaldo, der locker wirkte, als habe er gerade entspannt eine Partie Tischtennis gespielt und nicht 90 Minuten Fußball in einem EM-Turnier, blies kurz die Backen auf und sagte dann: "Um meine Zukunft mache ich mir keine Gedanken, ich weiß, dass sie gut wird. Ich konzentriere mich voll auf dem EM."

Ergebnis: 2:0 (0:0)

Portugal: Ricardo - Bosingwa, Pepe, Ricardo Carvalho, Paulo Ferreira - Petit, João Moutinho - Cristiano Ronaldo, Deco (90.+2 Fernando Meira), Simão (83. Raúl Meireles) - Nuno Gomes (69. Nani)

Türkei: Volkan - Hamit Altintop (76. Semih ), Servet, Gökhan (55. Emre Asik), Hakan Balta - Kazim, Emre Belözoglu, Mehmet Aurélio - Mevlüt (46. Sabri), Tuncay - Nihat

Schiedsrichter: Fandel (Kyllburg)

Zuschauer: 29.106

Tore: 1:0 Pepe (61.), 2:0 Raúl Meireles (90.+3)

Gelbe Karten: - / Sabri, Gökhan, Kazim

Beste Spieler: Pepe, Deco / Servet, Tuncay

Der 2:0-Sieg Portugals gegen die Türkei war da gerade etwas mehr als anderthalb Stunden Vergangenheit, doch nach der 0:1-Niederlage der Schweizer gegen Tschechen im zweiten Spiel der Gruppe A sind die Portugiesen, die am kommenden Mittwoch auf die Tschechen treffen werden, dem Viertelfinale schon sehr nahe. "Wir haben schon 50 Prozent der Punkte, die wir für das Weiterkommen brauchen. Und das nach dem ersten Spiel, das ist doch schon sehr gut", sagte der portugiesische Trainer Felipe Scolari. Vor vier Jahren hatte seine Mannschaft ihr erstes Gruppenspiel gegen Griechenland verloren, es danach aber dennoch bis ins Finale geschafft, wo sie dann aber schließlich wieder an den Griechen scheiterte.

Die Portugiesen spielen vielleicht nicht mehr so spektakulär wie damals, aber die individuelle Klasse der Spieler ist nach wie vor groß genug, um gegen eine durchschnittliche Mannschaft wie die Türken letztlich souverän zu triumphieren. Auch wenn sie sich in der ersten Halbzeit schwer taten gegen das 4-1-4-1-System, das der türkische Nationaltrainer Fatih Terim für seine Mannschaft an diesem Abend erfunden hatte.

Aus dem Spiel heraus vermochten die Portugiesen in der ersten Halbzeit keine Torgefahr zu entwickeln, nur durch Standardsituationen kamen sie zu gefährlichen Schüssen aufs türkische Tor. Doch Pepes Kopfballtreffer in der 16. Minute wurde vom deutschen Schiedsrichter Heribert Fandel zu Unrecht wegen angeblicher Abseitsstellung die Anerkennung verwehrt - und der stets zwischen Weltklasse und Slapstick changierende türkische Torhüter Volkan zeigte in Genf seine besten Seiten und lenkte in der 38. Minute einen von links quer durch den Strafraum getretetenen Freistoss von Ronaldo gerade noch mit den Fingerspitzen an den rechten Pfosten.

"Es ist normal, dass eine Mannschaft 30 Minuten braucht, um in ein solches Turnier zu finden und auch Ronaldo muss man diese Anlaufphase zugestehen", erklärte Scolari zufrieden. Das Spiel nahm für die Portugiesen an Fahrt auf, als Scolari Ronaldo, dem auf der linken türkischen Abwehrseite vom in Berlin geborenen Hakan Balta wenig zugestanden wurde, in den zweiten 45 Minuten von einem Rechtsaußen in einen Linksaußen verwandelte.

Auf der linken Seite kam ihm und den Portugiesen zugute, dass Ronaldo auf Hamit Altintop von Bayern München traf, der seine gerade überstandene zweimonatige Verletzungspause nicht kaschieren konnte. Altintop war dem rasanten Tempo Ronaldos nicht gewachsen. "Nicht die waren zu schnell, sondern wir zu langsam", gestand Altintop ein. Zudem brachte Terim nach der Pause den defensiveren Sabri für den offensiven Mevlüt, in der Absicht, dem Mittelfeld dadurch mehr Balance zu geben. Doch das misslang gründlich und Altintop hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg: "Nach dem Wechsel wussten wir überhaupt nicht, wie wir spielen sollten."

Knackpunkt der Partie war dann eine haarsträubende Aktion des türkischen Innenverteidigers Gökhan Zan, der zuerst den Ball falsch berechnete und dann auch noch Simao im eigenen Strafraum umtrat (Schiedsrichter Fandel ließ Vorteil gelten und Nuno Gomes traf den Pfosten). Vier Minuten später humpelte Gökhan verletzt vom Platz. die Portugiesen nutzen diese Schwächung der türkischen Defensive zum entscheidenden Führungstreffer aus.

Der überragende Innenverteidiger Pepe spielte sich mit Hilfe eines Doppelpasses mit Nuno Gomes gerade durch die türkische Abwehr hindurch und schoss von kurz vor dem Elfmeterpunkt alleine vor Volkan ein (61.). Die Grätsche vom für Gökhan Zan eingewechselten Emre Asik kam zu spät, der desorientierte Einwechselspieler berührte die Kugel sogar noch unheilvoll.

Das 2:0 durch den eingewechselten Raul Meireles in der Nachspielzeit nach einem von Ronaldo von links vorangetriebenen Konter drückte die Überlegenheit der Portugiesen klar aus, für die Nuno Gomes zudem noch zweimal den Pfosten getroffen hatte (50. und 65.). Zum dritten Mal bei ihrer erst dritten EM-Teilnahme verloren die Türken den Vergleich gegen diePortugiesen und stehen nun unter gewaltigem Erfolgsdruck. Zumal auch der Einsatz von Zans Innenverteidiger-Kollege Servet, der sich nach einem Schlag aufs Knie (7.) bis zum Ende quälte, im nächsten Spiel fraglich ist.

"Wir geben die Hoffnung nicht auf", sagte Fatih Terim trotzig. Doch bei einer Niederlage am Mittwoch ist die Zukunft der Türken bei diesem Turnier nach zwei Spielen schon vorbei. Einen Trost haben sie aber: Für die Schweizer gilt das ebenso.

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