Drastische Methoden gegen Raubkopierer: Piratenhatz im Kinosaal

Um das Mitschneiden von Filmen zu vereiteln, greifen US-Kinobetreiber zu drastischen Methoden. Bei "Indiana Jones" wird der Ton abgedreht, auch Infrarottechnik kommt zum Einsatz.

Big Brother is watching: Kinobesucher unter Verdacht Bild: taz

Wer sich brav ins Kino begibt, um gegen gutes Geld die neuesten Produktion aus Hollywood und anderswo zu genießen, kommt sich inzwischen immer öfter vor wie ein Verdächtiger. Minutenlang wird man vor dem Hauptfilm mit Anti-Raubkopierer-Werbung traktiert, in einigen Lichtspielhäusern gehen Mitarbeiter während des Films die Reihen durch, um sicherzustellen, dass auch niemand eine Kamera dabei hat, mit der eine Internet-Kopie angefertigt werde könnte. Selbst von Infrarottechnologie ist bereits die Rede, die in den USA und anderswo zur Piratenhatz im Kinosaal verwendet werden soll. Wer als Journalist zu Vorabvorführungen eingeladen wird, hat es ebenfalls nicht leicht: Mancher Medienkonzern lässt Pressevertreter inzwischen durch die von Flughäfen bekannten Scanner laufen, um auszuschließen, dass sie Aufzeichnungsgeräte dabei haben könnten, deren Output sie dann ins Netz stellen könnten.

Beim neuesten "Indy"-Streifen aus dem Hause Steven Spielberg ("Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels") wird es nun in Sachen Urheberrechtsverteidigung noch extremer. Wie Kinobesucher in den USA berichten, wird während des Films an bestimmten Stellen für wenige Sekunden der Ton abgedreht - und zwar durchaus während Sequenzen, die die Zuschauer gerne genau hören würden. Zweck der Maßnahme könnte zweierlei sein: Entweder will Filmvertreiber Paramount damit Schwarzabfilmern den Spaß vermiesen (Tonprobleme mögen auch Nutzer illegaler Tauschbörsen nicht) oder es sollen so so genannte Signaturen in den Streifen eingebunden werden, mit denen sich nachträglich nachverfolgen lässt, in welchem Kino eine Raubkopie erstellt wurde. Diese Technik setzt Hollywood bereits seit längerem ein und konnte so bereits Kontrolllücken schließen. Allerdings sind diese Signaturen normalerweise wesentlich weniger auffällig als im Fall "Indy".

Die Kinobetreiber sind von der Maßnahme jedenfalls bereits peinlich berührt: In mindestens einem der betroffenen Häuser wurden Schilder aufgestellt, auf denen sich das Kino für die "Indy"-Tonproblematik offiziell entschuldigt, berichtet der britische Telegraph. Ob die Technologie auch in Europa angewendet wird, ist unklar. Nachfragen bei Paramount blieben bislang unbeantwortet. Im viel gelesenen Weblog Boing Boing, das über den Fall berichtete, meldeten sich Dutzende Nutzer, die von dem Problem betroffenen waren. Einige sprachen auch davon, dass sie ähnliche Erfahrungen beim Hitstreifen "Iron Man" gemacht hätten - ebenfalls mit mehreren Tonausfällen. "Damals dachte ich aber, dass der Filmvorführer einen schlampigen Job gemacht hat", schrieb ein User.

Solche und ähnliche Strategien sind umso störender, als dass sie stets die zahlende Kundschaft treffen, in den seltensten Fällen aber die Piraten. Während DVDs und Blu-ray-Scheiben mit ausgefeilten Kopierschutzverfahren versehen sind, die dafür sorgen, dass man keine Sicherheitskopien der teuren Scheiben anlegen kann oder gar die vor fast jedem Film eingeblendete Zwangswerbung "wegklicken", erhält der Filmpirat eine bedienerfreundliche, reklamefreie Variante, die sich obendrein oft auch noch auf den unterschiedlichsten Geräten abspielen lässt, weil stets ungeschützte Formate verwendet werden.

Im Musikbereich hat die Industrie inzwischen erkannt, dass kopierschutzfreie Alben dem Absatz eher helfen, als dafür zu sorgen, dass mehr illegal kopiert wird - die Piratenversionen sind sowieso längst im Netz, der Kopierschutz lässt sich oft mit wenig Aufwand umgehen. Experten glauben allerdings nicht, dass Hollywood seine Strategie im Hinblick auf den Inhaltevertrieb bald ändern wird - es dürfte im Gegenteil noch strenger zugehen. Kopierschutzverfahren und die Verfolgung von Piraterie "an der Quelle", den Lichtspielhäusern, mag zwar ein aussichtsloser Kampf sein. Doch schwebt über der Branche das warnende Zukunftsvision die Musikindustrie, die in den letzten Jahren massiv Umsätze einbüßte. DVDs und Kinokarten verkaufen sich hingegen (mit saisonalen Schwankungen) jetzt noch vergleichsweise gut. Noch scheint es Hollywood daher nicht nötig zu haben, stärker auf die Nutzer einzugehen. Immer mehr entnervte Kinogänger könnten das ändern.

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