Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime: Die Glaubenskriegerin

Mina Ahadi war noch nie in einer deutschen Moschee. Da würde sie einen Wutanfall kriegen, sagt sie. Bis Sonntag leitet die Exiliranerin die Kritische Islamkonferenz.

Glaubt, dass Steinigungen auch in Deutschland möglich wären: Ex-Muslimin Mina Ahadi. Bild: dpa

Ende 1980: Mina Ahadi gehört der iranischen Oppositionsbewegung an. Ihr Medizinstudium musste sie deshalb abbrechen. Als ihr Mann von der Geheimpolizei verschleppt und kurz darauf hingerichtet wird, taucht die 24-Jährige unter. Erst nach zehn Jahren gelingt ihr die Flucht nach Wien.

April 2000: Mina Ahadi protestiert mit anderen Exiliranern erfolgreich gegen eine Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Der Geheimdienst filmt die Veranstaltung. Alle regimekritischen Teilnehmer werden nach ihrer Rückkehr in den Iran verhaftet und zu Haftstrafen verurteilt.

Mai 2008: Mina Ahadi ist mittlerweile die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime und der Kampagne "Wir haben abgeschworen". Aus Sorge um ihre Sicherheit steht sie unter Polizeischutz. In Köln leitet sie an diesem Wochenende die Kritische Islamkonferenz. Noch bis zum Sonntag diskutieren dort unter anderem Ralph Giordano und Günter Wallraff. BAX

Mehr als 100 Besucher drängen sich im "Lichtburg-Forum", einem Veranstaltungsort in Berlins Einwandererbezirk Wedding. Sie alle wollen Mina Ahadi sehen. Vorn sitzen iranische Bekannte, sie nicken Ahadi freundlich zu. Ansonsten sind überwiegend Deutsche gekommen, Altlinke, viele in grobe Pullover gekleidet. Vor diesem Publikum fühlt sich Mina Ahadi zu Hause.

Die Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime stellt hier ihre Autobiografie vor, "Ich habe abgeschworen" heißt sie. Ahadi erzählt darin, wie sie schon als Jugendliche im Iran jenen Glauben infrage stellte, mit dem sie aufgewachsen war. Sie schildert, wie sie sich in den 70er-Jahren in Teheran einer kommunistischen Gruppe anschloss und versuchte, vor den Fabriktoren die Arbeiter zu agitieren, was "tragisch scheiterte. Auch im Iran". An dieser Stelle lächeln viele im Saal verständnisvoll. Dann sagt Mina Ahadi, es freue sie, dass ihre Tochter heute in Deutschland Erfahrungen machen könne, die ihr als Teenager verwehrt waren - dass sie aber fürchte, dass diese Freiheiten durch einen wachsenden Einfluss islamischer Verbände gefährdet seien.

Wann immer es um den Islam geht, bekommt die Stimme der kleinen, sonst so freundlich blickenden Frau etwas Stählernes. Sie sagt dann Dinge wie: "Wir werden auch hier bald Steinigungen und das Recht der Scharia erleben, wenn wir nicht rechtzeitig etwas dagegen tun." Oder: "Auch Chomeini kam vielen im Iran zunächst liberal vor, weil seine Frau Klavier spielte." Was dann passiert sei, sei ja bekannt. Als sich im Publikum zaghafte Zweifel rühren, bügelt Ahadi die ab: "In Deutschland herrscht eine falsche Toleranz", befindet sie kategorisch.

Am nächsten Morgen sitzt Mina Ahadi im Foyer eines Berliner Hotels und zieht Bilanz. Vor 14 Monaten ist sie mit ihrem Zentralrat der Ex-Muslime an die Öffentlichkeit gegangen - an diesem Donnerstag beginnt in Köln die Kritische Islam-Konferenz. Was hat sie erreicht? "Dass eine andere Stimme Gehör findet: die der atheistischen Ex-Muslime", sagt sie. Zwar gebe es auch andere prominente Islam-Kritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates. Aber schon dass diese sich als "muslimische Frauen" bezeichnen lassen, hält Ahadi "für einen politischen Fehler".

Mina Ahadi ist eine radikale Atheistin. "Religion darf keinen Einfluss auf den Unterricht und das politische System haben", findet sie. Sie lehnt nicht nur Kopftücher an Schulen oder in öffentlichen Ämtern ab. Sie ist auch gegen jeden Religionsunterricht, egal welcher Konfession, und für die komplette Verbannung religiöser Symbole aus dem öffentlichen Raum. Dass ihre Vorstellungen autoritär klingen, ficht sie nicht an. "Verbote müssen nichts Schlechtes sein. Sie dürfen ja auch Ihre Kinder nicht schlagen oder betrunken Auto fahren."

Mit der Kritischen Islam-Konferenz will Mina Ahadi ihren Kampf nun eine Stufe weiter führen. Als Teilnehmer konnte sie unter anderen Ralph Giordano und Günter Wallraff gewinnen. Die offizielle Islam-Konferenz der Bundesregierung, die Wolfgang Schäuble einberufen hat, ist Mina Ahadi ein Dorn im Auge. Die islamischen Funktionäre, mit denen der Innenminister dort über Fragen der Integration verhandelt, stehen für sie etwa auf einer Stufe mit Neonazis. Ihre Angst ist, die wollten die Bundesrepublik unterwandern, indem sie die Verbreitung des Kopftuchs befördern.

Aus eigener Anschauung weiß sie nur wenig über den Islam, der von den Muslimen in Deutschland gelebt wird. In einer deutschen Moschee war sie noch nie, sie fürchtet: "Ich würde dort einen Wutanfall kriegen."

Will man die Wut verstehen, die die 52-Jährige gegen alles Islamische hat, muss man ihre Autobiografie lesen. Man erfährt da, dass Ahadi nach dem Sieg der Islamischen Revolution im Iran in den Untergrund gehen musste, nachdem ihr Mann vom Geheimdienst verhaftet und kurz darauf hingerichtet wurde. Später schlug sie sich in den kurdischen Norden des Landes durch und lebte zehn Jahre in einem Partisanenlager. 1990 konnte sie nach Wien fliehen, wo sie Asyl erhielt. Seit 1996 lebt sie in Köln.

In Deutschland hatte Mina Ahadi ihren ersten spektakulären Auftritt vor acht Jahren bei einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Grünen-nahe Stiftung hatte säkulare Intellektuelle aus dem Iran sowie prominente Vertreter des Reformlagers um den damaligen Präsidenten Chatami nach Berlin eingeladen, Thema: "Der Iran nach den Wahlen". Doch eine gut organisierte Gruppe radikaler Exiliraner sprengte die Konferenz: Sie skandierten so lange Parolen, bis die Veranstaltung abgebrochen werden musste. Mina Ahadi war damals an vorderster Front dabei. Als die Organisatoren sie als Sprecherin der Protestierenden ans Mikrofon baten, um die Menge zu beruhigen, peitschte sie diese mit einer Brandrede noch zusätzlich auf.

Im Saal waren auch Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes, sie filmten diese Szenen. Die Bilder eines Mobs, der "Tod der islamischen Republik!" skandiert, während die Spitzen der iranischen Opposition auf einem Podium betreten dreinschauen, wurden tags darauf im iranischen Staatsfernsehen gezeigt. Und sie verfehlten ihre Wirkung nicht. Das Regime in Teheran nutzte sie zum Rundumschlag gegen die Opposition, es ließ alle Teilnehmer der Konferenz nach deren Rückkehr verhaften und vor Gericht zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilen. Mit fast sechs Jahren saß der Publizist Akbar Gandschi die längste Zeit, erst im April 2006 kam er, nach wochenlangem Hungerstreik, wieder frei.

Bis heute weist Mina Ahadi jede Verantwortung dafür weit von sich: "Das islamische Regime hätte diese Leute so oder so verhaftet", ist sie überzeugt. Fast ein wenig stolz scheint sie noch immer auf ihre Rolle in der Angelegenheit zu sein: "Ich habe dort eine Rede gehalten, die heute ein historisches Dokument ist", beharrt sie.

"Jeder politisch denkende Mensch hätte voraussehen können, dass so etwas passiert", kritisiert dagegen der iranischstämmige Publizist Bahman Nirumand, der damals zu den Organisatoren der Konferenz gehörte. "Sie hat dazu beigetragen, die Leute ans Messer zu liefern."

Auch deswegen gibt es in der iranischen Community in Deutschland nur wenige, die ein freundliches Wort über Mina Ahadi finden. Höflich drückt sich der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour aus. Er bekundet Respekt vor ihrer Biografie, bedauert aber, dass sie "eine ganze Religionsgemeinschaft diffamiert". Für Ali Mahdjoubi und Kambiz Behbahani vom Iranischen Dialogkreis in Berlin ist Ahadi eine "stalinistische Hardlinerin", die "auf der Welle der aktuellen Islamophobie" surft, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Tatsächlich ist Mina Ahadi bis heute ein Führungsmitglied der Arbeiterkommunistischen Partei des Iran, einer sektiererischen Linksgruppierung von Exiliranern. Sie macht daraus keinen Hehl. "Sie verehren ihren Vorsitzenden abgöttisch, und ihre Vorstellungen von einer Diktatur des Proletariats waren schon in den Sechzigerjahren suspekt", stuft Bahman Nirumand die Gruppe ein. Zudem hat Mina Ahadi vor sieben Jahren das "Komitee gegen Steinigungen" gegründet. Dort macht sie Front gegen das iranische Mullahregime und diese besonders barbarische Hinrichtungsform, zu der es in ländlichen Regionen des Iran hin und wieder kommt. Doch erst mit dem Zentralrat der Ex-Muslime hat Mina Ahadi endlich das erwünschte Echo gefunden. Konservative Blätter wie die Welt, der Focus oder die FAZ hofieren sie nun als Kronzeugin gegen eine "Islamisierung" des Westens und sehen dafür gnädig über ihren Betonkommunismus hinweg.

Mit ihren harschen Ansichten hat sich Mina Ahadi viele Feinde gemacht, sie hat anonyme Anrufe und Drohmails bekommen. Bei ihren öffentlichen Auftritten ist deshalb immer ein Personenschützer dabei, mit ihrem Einverständnis wird sie überwacht, die Polizei kontrolliert ihre E-Mails. "Es ist gefährlich. Aber nicht so gefährlich, wie ich es mir anfangs vorgestellt habe", schätzt Mina Ahadi die Situation ein. "Die Angst vor islamistischer Gewalt ist hierzulande oft größer als die reale Gefahr", glaubt sie, "man darf sich nicht einschüchtern lassen."

Dann erzählt Ahadi von ihren Nachbarn in Köln. Die stammten aus der Türkei und hätten sie einmal beiseitegenommen und angeboten: "Wenn irgend etwas ist, sagen Sie uns Bescheid. Sie können jederzeit zu uns kommen." Dann hätten sie hinzugefügt: "Aber Frau Ahadi: Der Islam ist nicht so schlecht, wie Sie sagen." Sie verzieht keine Miene, als sie das sagt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.