Neues Album von Death Cab for Cutie: Aufbäumen, loslassen

Das neue Album "Narrow Stairs" von Death Cab For Cutie stieg direkt auf Platz eins der US-Billboard-Charts ein. Dezidierte Enge schlägt hier in Verzweiflung um.

Death Cab for Cutie, erst unglücklich beim Major, jetzt neuer Erfolg. Bild: Promo

Das natürliche Habitat eines Death-Cab-For-Cutie-Songs war bislang das Auto. Dort tragen sie sich oft zu, die Geschichten, die Sänger Ben Gibbard auf den vergangenen Alben zu erzählen wusste. Sie handeln von einer Sommernacht auf der Landstraße, wo man vom Beifahrersitz aus ins Weltall starrt ("Passenger Seat"). Von Bildern der Ex, die plötzlich aus den Tiefen des Handschuhfachs auftauchen ("Title and Registration"). Von sicheren Ausfahrten, die man besser nicht nimmt, wenn man ans Ziel kommen will ("405").

Die Sache ist die: Ständig war man in Death-Cab-Liedern unterwegs zwischen den Orten, den Menschen, den Lebensentwürfen. Es ging um das große Weiteweh, das kein anderer Indiepoet so hoffnungsvoll und melancholisch gleichzeitig besingen kann wie Gibbard mit seiner tenorigen Chorknabenstimme.

Was die Band nun mit ihrem sechsten Studioalbum "Narrow Stairs" vorlegt, ist so ziemlich das Gegenteil: nämlich dezidierte Enge, die immer mal wieder in Verzweiflung umschlägt, getriggert durch übersteuerte Bässe, die mit Rückkopplungen gemeinsame Sache machen. Das Ziel ist, möglichst effektiv Piano und Stimme einzunebeln, samt den von ihr besungenen Charakteren. Diese Typen sind per se schon äußerst zwielichtig, all die Stalker, aggressiven Liebhaber und Leute, die nur zusammenbleiben, weil sie nicht alleine sterben wollen. Abgerundet wird die Klaustrophobieparade durch die fehlenden oder fließenden Pausen zwischen den Liedern.

"Narrow Stairs" ist Death Cabs zweites Album beim Majorlabel Atlantic. Seit 1998 war die Band aus Washington beim Indielabel Barsuk in Seattle unter Vertrag. Man habe Barsuk 2004 verlassen, um mehr Menschen zu erreichen, ließ Gibbard damals verkünden. Das klappte auf Anhieb. "Plans", der Vorgänger von "Narrow Stairs", wurde über eine Million Mal verkauft und für den Grammy nominiert. Doch der Wechsel vom Indie zum Major war schwieriger als gedacht.

Sie versicherten sich, es sei alles wie immer, erzählte Gitarrist und Produzent Chris Walla jüngst in Interviews. "But it was freaking us out, definitely." Er habe sich mehr als Projektmanager denn als Bandmitglied gefühlt, mit einem Klemmbrett in der Hand statt einer Gitarre. Für das neue Album wollte man wieder eine Band sein, zu viert im Raum sitzen und spielen, statt jedes Instrument einzeln und clean aufzunehmen.

Man muss Death Cab For Cutie nun wirklich nicht dafür gut finden, dass sie mit "Narrow Stairs" nicht einfach ihr Erfolgsalbum "Plans" kopieren. Und ihnen dafür womöglich auch noch Risikofreude attestieren. Aber man kann sie sehr wohl gut finden für das, was auf "Narrow Stairs" bisweilen zu hören ist. Im Eröffnungssong "Bixby Canyon Bridge" zum Beispiel: Wie es selig losgeht mit hellem Gesang, wie dann Schlagzeug und Gitarren die Geduld verlieren, sich aufbäumen und herniederkrachen und von Nick Harmers melodischem Bassspiel so lange umgarnt werden, bis wieder Ruhe ist im Canyon - das ist was.

Im Text erzählt Gibbard von seiner Suche nach allumfassender Erkenntnis. Tatsächlich war er für das Songwriting auf den Spuren des US-Schriftstellers und Chefwahrheitssuchers Jack Kerouac unterwegs und fuhr nach Big Sur, wo Kerouac seine Memoiren schrieb. Erlöst wurden sie dort nicht, weder Gibbard noch Kerouac. Big Sur und "Narrow Stairs" erzählen ein und dasselbe: Warte nicht auf uns, erlöse dich selbst.

Death Cab For Cutie gibt es seit 1997. Ihre treue Fanbasis erspielten sie sich auf Touren durch die Clubpampa, noch bevor Myspace, Blogs und damit verbundene Onlinehypes die Fanakquirierung beschleunigten. Mit den Verehrerinnen und Verehrern, die durch diese Medienpräsenz dazukamen, macht das unterm Strich: den direkten Einstieg auf Platz eins der US-Billboardcharts mit "Narrow Stairs". Death Cab For Cutie, eine große Erfolgsgeschichte des Indierock.

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