Unmut in CDU über Präsidenten-Kurs der SPD: Merkel spottet über Nahles' Macht

Der Ärger in der Union über die Nominierung der Präsidenten-Kandidatin Schwan wächst. Auch die Kanzlerin lästert nunmehr über den Koalitionspartner - und die Macht des linken SPD-Flügels.

Telefon-Probleme mit dem Koalitionspartner: Angela Merkel Bild: dpa

BERLIN/MÜNCHEN taz/dpa/rtr Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Kritik an der SPD-Führung am Dienstag vor ihrer Unionsfraktion mit einer ironischen Bemerkung zusammengefasst. "Manchmal weiß man gar nicht mehr, wen man morgens anrufen soll. Am besten gleich Frau Nahles?", sagte die Kanzlerin Sitzungsteilnehmern zufolge.

In der Union gilt die Parteilinke um die stellvertretende Parteivorsitzende Andrea Nahles als treibende Kraft hinter der von CDU/CSU heftig kritisierten Nominierung der SPD-Kandidatin Gesine Schwan für das Bundespräsidentenamt. Aus Sicht der Union hat Nahles die übrige Führung um Parteichef Kurt Beck, Vize Frank-Walter Steinmeier und Fraktionschef Peter Struck regelrecht vorgeführt. Denn diese hätten lange Zeit signalisiert, sie würden eine zweite Amtszeit von Bundespräsident Horst Köhler stützen.

Merkel und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) stellten die Situation in der großen Koalition als "schwierig" dar. In der Fraktion sagte Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen am Dienstag, sie könne den Unmut der Unions-Abgeordneten über das Zustandekommen der Kandidatur gut verstehen.

Merkel warnte die große Koalition vor einem Dauerwahlkampf bis zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. "Wir haben vom Wähler einen Regierungsauftrag erhalten und haben die Pflicht, diesen auf die bestmögliche Art zu erfüllen. Diese Koalition hat viel zu tun", sagte sie dem Bonner "General-Anzeiger" mit Blick auf den Streit um die Nachfolge von Bundespräsident Horst Köhler. Ein Wahlkampf über anderthalb Jahre komme "nicht infrage". "Das entspricht weder der Gemütslage der Deutschen noch meinem persönlichen Arbeitsverständnis."

Die Union hält die SPD nicht mehr für einen verlässlichen Koalitionspartner. Partei- und Fraktionsführung der SPD könnten sich in zentralen Fragen nicht mehr durchsetzen, urteilte am Dienstag der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Norbert Röttgen. Dies habe die Nominierung von Gesine Schwan für das Amt des Bundespräsidenten am Montag gezeigt. Nun wolle die Union nur noch eins: die Arbeit in der großen Koalition "mit Anstand" zu Ende bringen.

Verantwortlich für die eisige Stimmung in der Koalition macht Röttgen das Führungsvakuum in der SPD, ihren Kurswechsel hin zur Linkspartei und ihren "Glaubwürdigkeitsverlust". Die CDU könne sich nicht mehr darauf verlassen, dass die SPD-Führung gemeinsame Beschlüsse auch durchsetze. Dies gelte für den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck und Fraktionschef Peter Struck, aber auch für Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück.

Nach dem planmäßigen Ende der Legislatur, so Röttgen, wolle die CDU Ende 2009 "mit einem kleinen Partner" die Regierung stellen. Erklärter Wunschpartner der Union ist die FDP.

Noch drastischer äußert sich die CSU, die in vier Monaten bei der bayerischen Landtagswahl ihre absolute Mehrheit verteidigen will. CSU-Fraktionschef Georg Schmid glaubt, dass sich das Koalitionsklima nach den Streitigkeiten der vergangenen Monate weiter eintrüben wird: "Besser wirds nicht." Auch bei den verbliebenen Sachthemen, beispielsweise der Erbschaftsteuer, würden Kompromisse künftig noch schwerer: "Jetzt wird Erbschaft und Eigentum ganz anders diskutiert."

Derweil signalisieren die Grünen und die Linkspartei ihre Bereitschaft, mit der SPD über eine Wahl von Gesine Schwan zur Bundespräsidentin zu reden. Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, will den Sozialdemokraten derzeit jedoch keine Bedingungen für eine Unterstützung der Politologin stellen, die für die SPD und gegen Amtsinhaber Horst Köhler antritt. "Das ist kein Prozess, den wir jetzt einfach so aushandeln werden", sagte Kipping.

Schwan habe sich zwar sehr gut als Kandidatin präsentiert, die Linke wäge aber noch ab, ob sie einen eigenen Kandidaten aufstelle. Dies könnte ein Weg sein, um in der Öffentlichkeit stärker auf die sozialen Probleme hinweisen zu können. Außerdem sei man schließlich nicht die Westentaschen-Reserve der SPD.

Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth zeigte sich offen dafür, Schwan in der Bundesversammlung am 23. Mai 2009 mitzuwählen. "Gesine Schwan ist eine sehr respektable Kandidatin und eine Politikerin, die ich sehr schätze."

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